Sumo (II) – Basho

Basho

Basho sind die Turniere. Ihr Anzahl und Länge änderte sich in der Vergangenheit mehrfach. Heutzutage sind es 6 Turniere pro Jahr mit einer Länge von 15 Tagen (Sonntag bis Sonntag), wobei die Mukuushi-Ränge an jedem Tag einen Kampf führen. Die unteren Ränge kämpfen Vormittags und nur an 7 Tagen. Ort und Zeit der Basho sind immer gleich:

Januar (Tokyo) … März (Osaka) … Mai (Tokyo) …
Juli (Nagoya) … September (Tokyo) … November (Fukuoka)

Der letzte Turniertag wird Zeami Motokiyo genannt und bildet das Highlight, da in der Regel erst jetzt die Entscheidung fällt. Bei Gleichstand an der Spitze treten die beiden Rikishi gegeneinander an.

In einem Turnier wird gegen jeden Gegner nur ein Mal gekämpft. Es ist Gegener von etwa gleichen Rang. Der Yokuzuna tritt gegen die Oseki, Komsubi, Sekiwake und die oberen Maegashira-Ränge an. Ein M15 kämpft gegen die mittleren und unteren Maegashira-Ränge. Damit hat jeder die Gelegenheit einen Sieg zu erringen.

Es gibt aber auch Ausnahmen. Wenn zum Beispiel ein Rikishi der mittleren oder sogar unteren Ränge eine unglaublich gute Leistung zeigt (z.B. ein 11-1-Ergebnis), kann er einen Kampf gegen einen sehr hohen Rang, vielleicht sogar einen Yokozuna bekommen. Das ist sowohl eine Art Belohnung für seine Leistung als auch ein Test, was er wirklich drauf hat. Selbst wenn er verliert, eine Ehre ist es allemal.

Weitere Regeln sind: Man kämpft nicht gegen Verwandte, sein es ein Bruder under auch ein Schwager. Und man kämpft nicht gegen Rikishi aus dem gleichen Heya.

Die Zeremonien

Vor Beginn der Kämpfe ruft der Yobidashi mit einer Yagura-daiko (Trommel) die Zuschauer herbei. Die Trommel steht in einem ca. 16m hohen Holzturm vor der Halle. — Der Kampf ist eingebunden in viele Zeremonien.

Ringbetretungszeremonie (Dohyo-Iri): In seidenen Kesho-mawashi betreten die Rikishi der Mukuuchi-Division den Dohyo und stellen sich im Kreis auf. Beim Betreten werden die Rikishi vom Stadionsprecher namentlich vorgestellt. Es folgt ein kurzes Begrüßungsritual (siehe Video auf der linken Seite). Anschließend gehen die Rikishi zurück in die Umkleide. Es gibt getrennte Dohyo-Iri für den Osten und den Westen.

Yokuzuna Dohyo-Iri: Der/die höchste(n) Yokuzuna nehmen nicht am Dohyo-Iri teil. Sie haben eine eigene Ringbetretungszeremonie, die Teil ihrer erworbenen Privilegien ist: das Yokozuna Dohyo-Iri. Es wird seit 1789 durchgeführt.

Der ausführende (idR. ranghöchste) Yokuzuna trägt sein Kesho-Mawashi sowie die Tsuna. Seine zwei Gehilfen (Yokozuna oder wenn nicht vorhanden Ozeki) tragen nur das Kesho-Mawashi. Der Tsuyuharai (Morgentauentferner) geht vor, der Tachimochi (Schwertträger) hinter dem Yokuzuna. Das Katana wird senkrecht an der Spitze der Saya gehalten und symoblisiert den Samurairang der Yokozuna.

Es gibt zwei Versionen für das nun folgende Ritual: Unryu-Stil und Shiranui-Stil (die Namen gehen zurück auf den 10. und 11. Yokozuna). Der Yokozuna entscheidet sich für einen Stil bei seiner Ernennung. Neben dem leicht unterschiedlichen Ablauf gibt es einen auffälligen Unterschied im Rückknoten des Tsuna: Unryo hat nur eine Schleife; Shiranui hat zwei Schleifen.

Der Auflauf (siehe Video auf der linken Seite) beinhaltet folgende beiden Aspekte: Durch Händeklatschen wird die Aufmerksamkeit der Götter (vgl. Shinto) erregt. Das das Aufstampfen der Füße reinigt er symolisch den Dohyo von bösen Geistern.

Kämpfe: Nach dem Dohyo-Iri folgen die Kämpfe. Vormittags kämpfen die Ränge der zweiten Liga. Am Nachmittag folgen die Kämpfe  der Mukuushi. Die Kämpfe folgen immer dem gleichen Muster (siehe nachfolgender Abschnitt).

Yumitorishiki (Bow Swinging): Mit dieser Zeremonie wir der Kampftag beendet. Dafür nimmt der Yokozuna, bekleidet mit dem Kesho-Mawashi, vom Schiedsrichter einen Bogen entgegen und führt ein Abschlussritual durch (siehe Video auf der linken Seite).

sanyaku soroibumi (三役揃い踏み): Am letzten Tag wird vor den letzten 3 Kämpfen ein spezielles Ritual abgehalten. Je drei Rikishi von Osten und Westen führen dabei gleichzeitig das Shiko durch.

Siegerehrung: Sie findet am letzten Tag statt. Hier wird der Kaiserpokal an den Turniersieger übergeben. Ferner werden Preise an die unteren drei Mukuushi-Ränge vergeben, die Kachi-Koshi erreicht haben. Es sind Preise wie „bester Kampfgeist“, „beste Kampftechnik“.

Danpatsu-shiki (断髪式): Ruhestandszeremonie; sie wird ein paar Monate nach dem Rücktritt eines Rikishi in Tokyo abgehalten. In Rahmen der Zeremonie wird der Chonmage abgeschnitten. Die Zeremonie ist sehr emotional und ist Sekitori (oder höher) mit mindestens 30 Turnierteilnahmen (als min. 5 Jahre) vorbehalten.


Kampfablauf

Zunächst werden die beiden Rikishi aufgerufen, die dann den Dohyo betreten. In Ihrer Ecke stampfen sie erst mit dem rechten, dann mit dem Linken Fuß auf. Die dient dem Vertreiben von Geistern.

Es folgt das Chikara-Mizu, das Trinken von Kraftwasser. Es ist aus dem Reinigen des Mundes vor Betreten eines Shintoschreins abgeleitet.

Das „Kraftwasser“ wird vom Gewinner der eigenen Seite (Ost oder West) zum nächsten Rikishi weitergegeben oder vom nachfolgenden Kämpfer genommen (kachi-nokori). Das Kraftwasser des Verlierers“ kommt nicht zum Einsatz. Im letzten Kampf des Tages ist das nicht möglich und das Wasser beider Seiten stammt vom Gewinner des vorletzten Kampfes.

Phase 1: Die Rikishi werfen Salz zur rituellen Reinigung des Dohyo und betreten die Kampffläche. An der Grundlinie hocken sie sich hin und Klatschen (Aufmerksamkeit der Götter). Anschließend verlassen die Rikishi die Kampffläche und gehen zurück in ihre Ecke.

Phase 2: Die Rikishi betreten die Kampffläche (inkl. Salzwerfen) und stellen sich an der Startlinie auf. (I) Es wird mit den Füßen aufgestampft (Shiko). Dabei wird oft die Dehnbarkeit demonstriert. Einige Rikishi schaffen es, das angehobene Bein bis in die Senkrechte zu bringen.  (II) Anschließend gehen sie in die Hocke, verweilen kurz und stehen wieder auf. (III) Die Rikishi gehen in die Startposition (Hocke und beide Fäuste auf dem Boden nahe der Startlinie). In dieser Phase wird oft erneut die Beweglichkeit demonstiert, indem die Rikishi extrem in die Hocke gehen und den Oberkörper so tief wie möglich legen. Anschließend verlassen die Rikishi die Kampffläche und gehen zurück in ihre Ecke.

Phase 3: Die Rikishi betreten die Kampffläche (inkl. Salzwerfen) und stellen sich an der Startlinie auf. Anschließend gehen sie in die Hocke, verweilen kurz und stehen wieder auf. Jetzt klappt der Schiedsrichter den Spiegel zu sich hin. Auch steht er nicht mehr seitlich zum Geschehen. (Für Laien wie mich war dies das Startzeichen für den eigentlichen Kampfbeginn.)

Kampfphase: Der Kampf beginnt sobald sich beide Rikishi in Startposition begeben haben. Es ist dabei nicht erforderlich, dass beide Fäuste den Boden berühren. Wichtig ist nur, dass die Gegner zeitgleich starten. Die initiale Kollision der Rikishi heißt Tachiai. Ist der Kampf entschieden, zeigt der Ringrichter sofort in Richtung (Ost oder West) des Gewinners.

Siegernennung: Die Rikishi stellen sich, nachdem der Kampf entschieden ist, wieder an der Grundlinie auf. Der Verlierer verbeugt sich kurz und verlässt den Dohyo. Der Sieger hockt sich hin, während der Schiedsrichter den Sieg verkündet. Oft wird das Preisgeld übergeben, dass der Sieger nach der Handgeste Tegatana entgegen nimmt. Kurz danach verkündet der Stadionsprecher die Technik, die für den Sieg genutzt wurde.

Zwischen einzelnen Kampfblöcken gibt es Werbung. Diese wird durch den Ring getragen.

Shiko: Die Rikishi heben ihr Bein so hoch und gerade wie möglich, verhalten kurz und stampen dann mit dem Fuß so kräftig wie möglich auf. Danach folgt das andere Bein. Es ist ein altes Ritual, um Dämonen aus dem Dohyo zu vertreiben.

Kinboshi: Besiegt ein Maegashira einen Yokozuna, wird dies Kinboshi (goldener Stern) genannt. Dieser Sieg ist mit einer Prämie verknüpft. Es ist Brauch (obwohl es verboten ist), sein Sitzkissen in den Ring zu werfen, wenn ein Kinboshi passiert ist (siehe Video auf der linken Seite).


Die Kampfregeln

Es gibt zwei Arten zu gewinnen: (1) Den Gegner aus dem Ring zu werfen. (2) Den Gegener dazu zu bringen, den Ringboden mit etwas anderem als seinen Fußsohlen zu berühren. Schieben, Werfen, Schlagen … alles ist erlaubt, selbst Schläge ins Gesicht.

Es gibt zwei Kampfstile: Oshi-Zumo und Yotsu-zumo. Bei Oshi-Zumo werden primär Techniken eingesetzt, den den Stoßen und Schieben anstatt den Gegener zu greifen und zu halten. Die Technik ist effektiv aber Fehleranfällig, da der Gegner immer die Chance zum Ausweichen (Azukari) hat. Beim Yotsu-Zumo wird primar versucht, den Gegner am Mawashi zu greifen. Hat ein Rikishi, der Yotsu-Zumo kämpft, erst einmal einen festen Griff sind Oshi-Zumo-Rikishi hilflos. Daher wird Oshi-Zumo aus kraftbasiert und Yotsu-Zumo als technikbasiert angesehen.

Es gibt 82 Techniken, die zum Sieg führen. Nachfolgend die Techniken, die ich im März-Turnier 2017 gesehen habe (gelistet nach Häufigkeit in Klammern; nur Makuuchi-Devision). Notiz: ich habe das Gefühl, dass die Anzahl der 5 häufigsten Techniken zum Ende des Turniers hin sogar noch zunimmt.

  • Yorikiri (91) = Frontal Force Out = Der Gegner wird mit vollen Körpereinsatz aus dem Ring geschoben.
  • Oshidashi (61) = Frontal Push Out = Der Gegner wird aus dem Ring geschubst. Die Technik ist sehr ähnlich zu Yorikiri. Yorikiri und Oshidashi sind mit Abstand die am häufigsten genutzten Techniken, um den Gegner aus dem Ring zu befördern.
  • Hatakikomi (31) = Slap Down = der Gegener wird zu Boden geschubst, meist hat der Gegner zuvor sein Gleichgewicht verloren, was ausgenutzt wird.
  • Tsukiotoshi (23) = Thrust down = der Gegner wird im Prinzip zu Boden gezogen/gerissen. Es ist die Technik, um den Gegner „in den Staub“ zu schicken.
    • Hikiotoshi (13)
    • Tsukidashi (8)
    • Okuridashi (7) = rear push out = wie Oshidashi, nur dass der Gegner vorwärts blickend aus dem Ring geschoben wird.
    • Oshitaoshi (7) = Frontal push down = der Gegner wird aus dem Ring geworfen und fällt dabei um
    • Uwatenage (7) = overarm throw *)
    • Sukuinage (7) = beltless arm throm *)
    • Yoritaoshi (7) = Frontal Force out = wie Yorikiri, aber der Gegner wird dabei zu Fall gebracht (und unter sich „begraben“)
    • Uwatedashinage (6) =  pulling overarm throw *)
    • Shitatenage (4) = Underarm throw *)
    • Katasukashi (4)
    • Fusen (4) = Sieg durch Abwesenheit des Gegners. Der Kampf ist fest angesetzt. Wenn ein Rikishi verletzt oder krank ist, kann er nicht antreten und der andere Rikishi gewinnt bei Definition.
      • Kotenage (3)
      • Abisetaoshi (3) = Backward Force Down = Der Gegner wird umgeworfen und fällt dabei auf den Rücken.
      • Shitatedashinage (2) = pulling underarm throw *)
      • Shitatehineri (2) = twisting underarm throw = Der Gegner wird meist mittig am Mawashi gegriffen und mit einer Drehung zu Boden gebracht.
      • Tsuridashi (2)
      • Techniken, die 1x zum Sieg führten: Uwatehineri, Yoritaoshi, Tsukitaoshi, Watashikomi (Thigh grabbing push down), Kotehineri, Tottari, Shitatehineri, Komatasukui

*) die Technik konnte ich selbst in der Slow Motion nicht sehen

30% der Kämpfe werden durch Yorikiri entschieden. Die 4 wichtigsten Techniken (Yorikiri, Oshidashi, Hatakikomi, Tsukiotoshi) kommen auf 69%. Die 15 häufigsten Techniken sind über 93%. Es reicht also vollkommen diese Techniken halbswegs zu kennen. Für Anfänger reichen die ersten 5 allemal.

Nicht erlaubt sind (da gefährlich und/oder unehrenhaft): Würgen, Haareziehen, Umbiegen der Finger, Griffe in den Schritt, Treten, Eindrücken der Augen, Schläge auf beide Ohren gleichzeitig.

Es gibt eigentlich nur zwei Möglichkeiten, den Gegner festzuhalten: Man ergreift den Maewashi (Gürtel) oder klemmt einen oder beide Arme ein. Meist kommt beides zum Einsatz: Rikishi A hat den Maewashi von B fest im Griff, während B die Arme von A einklemmt.

In der Regel versucht der Rikishi einen „inside grip“ und Halt am Mawashi des Gegners zu bekommen. Der „inside grip“ ist kräftiger als ein „outside grip“, obwohl letzterer die Arme des „inside Grip einklemmt“.

Die Kenntnis aller Regeln und der Details ist nicht notwendig, um einen Sumokampf zu verfolgen. Es gilt die Regel der Donnerkuppel: Zwei gehen rein, einer kommt raus.

Da die Gegner wie bei Kendo aus einer gewissen Distanz starten, kann der Kampf in unter einer Sekunde vorbei sein. Beispiel: Beide starken gleichzeitig zur „Kollision“ und Rikishi A springt blitzschnell einen Schritt zur Seite. Rikishi B läuft ins Leere, verliert durch den Vorwärtsschub, der jetzt nicht wie erwartet gebremst wird, das Gleichgewicht und fällt, unterstützt durch druch Hatakikomi. Die passiert wenn Rikishi B sehr tief startet.

Angriff (Tachiai): Die Kampf startet aus der Distanz. Beide Ringer müssen zeitgleich beginnen. Es ist nicht notwendig, dass beide Fäuste zuvor den Boden berühren.

Zeitlimit: Der Kampf ist theoretisch zeitlich begrenzt. In der obersten Liga wird der Kampf nach 4 Minuten für eine Pause (Mizu-iri) unterbrochen. Der Kampf wird dann in der Postion fortgesetzt, in der er gsetoppt wurde. Nach weiteren 4 Minuten erfolgt eine neue Pause. Dieses Mal beginnt der Kampf mit Tachiai. Nach weiteren 4 Minuten endet der Kampf unentschieden.