木組み (ki-gu-mi) kann man als Holzverfugung übersetzen. 木組みの家 ist ein Fachwerkhaus, womit der kigumi-Teil dann Fachwerk bedeutet. Das trifft es im Prinzip, aber auch nicht.
Unter kigumi versteht man eine Holzkonstruktionsmethode, besser gesagt eine Verbindungstechnik, die ganz ohne Nägel, Schrauben, Seilen oder Leim auskommt. Ich habe eine freie Übersetzung ins Englische gefunden, die es ziemlich gut trifft: „interlocking wooden joints“. Diese Fertigungstechnik lässt sich bis in das 7 Jahrhundert zurück verfolgen.
Holen wir kurz etwas weiter aus … Es gibt zwei Verbindungsmethoden, die ohne Schrauben, Nägel und Leim auskommen: Tekizami und Kigumi
Tekizami: Die Verbindungsstellen der Einzelteile werden hochpräzise als Presspassung gefertigt und dann mit safter Gewalt zusammengesetzt. Das Ergebnis ist eine extrem feste Fügung. Der Ingenieur spricht von Reibschluss. Das einzige was die Teile zusammenhält ist die Reibung zwischen den Bauteilen.
Besten und bekanntestes Beispiel ist wohl das Masu, das eckige Trinkgefäß für Sake aus Holz. Bei Möbeln sieht man teilweise nicht einmal mehr die Nahtstelle. Die beiden Holzteile sind so aufeinander abgestimmt, dass die Maserung im Holz ohne Unterbrechung von einem auf das andere Teil wechselt. Die Japaner gehen hier die Extrameile.
Kigumi: Diese Technik setzt neben Reibschluss vorrangig auf Formschluss. Die Teile haben meist eine komplexe Form. Sie werden ineinander gesteckt. Ein kleiner Stift oder Keil, verhindert dann ,dass die Teile sich bewegen können. Die Bewegungsrichtung zum Auseinanderbauen ist blockiert. Kigumi ist also wie eines dieser Puzzle-Schlösser.
In Kigumi werden zwei Verbindungsmethoden unterschieden: Tsugite und Shiguchi.
Tsugite sind Methoden, um einen Balken zu verlängern. Die Technik wird bei Restaurationen auch eingesetzt. Ist beispielsweise ein Teil des Balkens verrottet und unbrauchbar geworden, wird der beschädigte Teil abgesägt und ein frischer Teil mittels Kigumi-Fügetechnik angesetzt. Die bekanntesten Techniken des Tsugite sind Koshikake-Kamatsugi und Kanawatsugi.
Shiguchi sind Methoden zur Herstellung einer L- oder X-Verbindung. Weit verbreitet sind die Techniken Shinozashi und Nagahozo-komi-senda.
Vorteil dieser Technik
Oder die Frage: Wozu der Aufwand?
Bei großen Holzplatte gibt es immer wieder Bereiche, die reißen können, wenn das Holz trocknet. Hier werden Kigumi-Elemente eingesetzt, um die Rissstelle zu stabilisieren.
Zudem ist ein Verzicht auf Eisenteile, die rosten können, ebenso von Vorteil, zumal es auch keine (chemischen) Wechselwirkungen zwischen Holz und Eisen gibt.
Der wichtigste Faktor ist aber die Flexibilität der Verbindung. Es gibt einen Grund für die fast verschwenderisch anmutenden Dachkonstruktionen von Tempeldächern. Diese Konstruktion ist nicht nur eine gelungene Visualisierung der Krafteinleitung in den stützenden Balken.
Die Verbindung ist, wie vermutet, komplett gesteckt und sonst in keiner Weise verbunden. Ohne dach könnte man sie wie Legosteine ohne Noppen auseinander nehmen. Die Konstruktion wird nur druch das Gewicht des Daches in Form gehalten.
Den vollen Vorteil spielt die Konsktruktion bei einem Erdbeben aus! In jeder Verbindungsebene kann die Kontruktion arbeiten und Energie durch Reibung verbrauchen, bevor das Dach erreicht wird. Das ist auch der Grund warum die Konstruktion abwechseld in zwei Richtung aufgebaut ist. Während das Fundament starkt schwint, bleibt das Dach vergleichsweise ruhig. Es schwingt auch, aber wesentlich ruhiger und weicher.
But wait there is more …
Kigumi nur auf die Verbindung zu beschränken ist aber auch nicht fair. Kigumi ist natürlich auch die präzise Bearbeitung des Holzes, die diese Verbindungstechniken erst möglich macht. Kigumi ist auch die Berücksichtigung der Materialeigenschaften. Die Abstimmung der Faserrichtung der verbundenen Teile für ästhetische Zwecke ist eine Sache, aber mit der Faserrichtung und dem exakten Faserverlauf ändern sich auch die physikalischen Eigenschaften: Biegeverläufe, Ausdehnung bei Feutigkeit, …
Beispiel: Iyo-Otu Castle
Die Burg habe ich 2016 besucht. Es ist eine vollständige Rekonstruktion. Aber anders als bei Nagoya und Co, hat man hier keinen Betonklotz verkleidet. Die Burg ist komplett aus Holz, erbaut mit den alten Methoden. Hier kann man Kigumi in Aktion sehen.
Bespiel: Wassermühle im Bosa-no-mura (Narita)
Dieses Beispiel habe ich erst bei der Sichtung der Fotos entdeckt. Achtet mal auf die senkrechten Balken der Wand. Sie sind alle mit Kigumi verlängert worden.
Informationen vor Ort
In Japan bieten einzelne Burgen, Tempel oder Samuraihäuser Informationen zu Kigumi; meist, wenn diese Bautechnik für das Gebäude benutzt wurde. Bei der Rekonstruktion der Burg Iyo-Ozu wurden Kigumi-Techniken benutzt.
In Tokyo gibt es seit 2015 das Kigumi-Museum: [https://www.kigumi.tokyo/] Es befindet sich in Hall Eight, 3F, Waseda 2-3-26, Shinjuku-ku (geöffnet: Di bis Do von 10-16 Uhr) — Von der Adresse her ist es Teil der Waseda University. Das Gebäude befindet sich nördlich des Anahachimangu. Der ist dann auch gleich an gutes Anwendungsbeispiel für Kigumi. (Randnotiz: Nur 200m nördlich ist die Endstation der Sakuratram.)
Hida-Furukawa ist bekannt für sein Holzhandwerkskunst. Es gibt ein Museum, dass unter anderem Kigumi behandelt: das Takumikan Craft Museum (飛騨の匠文化館) [webpage]. Ich habe es 2006 besucht [Link] Hida-Furukawa ist nur ein paar Banhstationen von Hida-Takayama entfernt. Hier startet/endet nicht nur der Bus nach Shirakawa-go und Kanazawa, sonder Takayama ist auch bekannte als Little Kyoto. Es ist definitiv einen Besuch wert. [Ich war 2006 und 2008 in Takayama]. Beachtet aber, dass das berühmte Matsuri von Takayama ein Kracher, aber leider total überlaufen mit Touristen ist.
Diese Webseite [https://www.bigsandwoodworking.com/] hat ein paar gute Fotos aus dem oben genannten Kigumi-Musem.
Souvenir
Als Tourist kommt man unter Umständen auch mit Kigumi in Berührung. Es gibt 3D-Puzzle aus Holz, die man als Souvenir kaufen kann. Die Bautechniken sind nicht wirklich kigumi. Das ist eher eine Marketing-Gag. Aber das ein oder anderen Puzzle sieht sehr spannend aus.
Zudem sind die Bausätze sehr kompakt und eignen sich gut für den Transport im Koffer. Allerdings sind sie relativ schwer, sodass man bei zu vielen Sets ggf. am Gewichtslimit scheitert.
In der unterirdischen Shoppingmall bei Kabuki-za (Ginza) kann man die Puzzle kaufen. Weitere Orte kann ich (noch) nicht nennen, da ich bis 2019 nicht danach gesucht und mir folglich auch nicht gemerkt habe, wo ich diese Sets gesehen habe.
Bay und Co.
Gelegentlich findet man Bausätze bei Amazon oder eBay. Einen deutschen Vertrieb konnte ich nicht finden. Die Preise müsste man auch mal vergleichen. Das oben eingeblendete Set von Himeji-jo liegt im Netz bei 80€ bis 100€ plus Versand. Der Hersteller is „Azone“. Geeignete Sichbegriffe sind „kigumi“ und „ki-gu-mi“
Angebote aus Japan sind günstige. Himeji-jo haeich für knapp 60€ gesehen. Die Versandkosten bringen einen dann aber um. Teilweise 20€ und aufwärts. Selbst wenn der Versand kostenfrei ist, darf man Einfuhrumsatzsteuer (19%) und Zoll nicht vergessen (je nach Deklaration könnte es zollfrei durchgehen). DHL will oft auch noch Geld für die Zollabwicklung oder ihr müsst den Papoerkram selber machen und das Paket in Person beim Zollamt abholen. Plant hier mal grob 20€ ein.
P.S.: Und falls ihr bei google nach kigumi sucht, werdet ihr zu 99% Treffer für kigurumi finden, denn google interesssiert sich nicht für euren Suchbegriff. Und viele andere User haben halt nach kigurumi gesucht und das ist Furry-Fetisch für Arme (und ein Grund, warum ich den deutschen Karneval lächerlich finde).
[erstellt 27.12.2020]