Archiv der Kategorie: 9.2 .. Tokyo und der Kaiser

der 2. Tag – kein Schreinfest, Shinjuku

Heute ist der letzte Tag in Tokyo und ich erfahren, dass übermorgen ein Empfang im Kaiserpalast ist, so wie zu Neujahr. Das glaube ich jetzt nicht. Super Timing. Das schlimme: Von Minakami aus sind es nur etwa drei Stunden. Es wäre theoretisch möglich, dafür nach Tokyo zurück zu fahren. Arghhhh.

Und wo wir bei Timing sind: Der heutige Tag beginnt mit den Goshuineinträgen von Hikawa Jinja (das Schreinbüro öffnet um 09:30 Uhr) und Hie Jinja (das Schreinbüro öffnet um 10:00 Uhr). Ich bin sehr gut in der Zeit und muss sogar warten. Wie etwa 10 weitere Leute, die schon so früh Schlange stehen. Es ist aber kein Vergleich zu gestern.

Auf dem Weg zum Hie Jinja fängt es an zu regnen. War ja klar. Der Regenschirm von gestern liegt im Hotel. Also muss ich einen neuen kaufen. Um 10 Uhr habe ich beide Goshiun. Jetzt fehlt nur noch das vom Kameida Tenjin und das kommt morgen.

Für 11:30 Uhr ist die Noh-Aufführung am Meiji Jingu angesetzt. Da schaffe ich vorher noch die Bilder für das VNV-Projekt südlich vom Bahnhof und in der 1-chome. Dann geht es mit der Yamanote nach Harajuku. Dieser Bahnhof erstaunt mich immer wieder. Im 2-Minuten-Takt werden hier hunderte Leute angespült und die Gänge sind dafür nicht wirklich ausgelegt. Es klappt nur, weil sich alle an die ungeschriebenen Regeln halten … und 5 Bahnmitarbeiter versuchen, das Ganze zu ordnen.

Treffpunkt mit Thomas ist der Südeingang zum Meiji Jingu. Allerdings ist die Aufführung wegen der Regengefahr in das Schreingebäude verlegt worden und man kann so gut wie nichts sehen. Da dies sicherlich auch für die anderen geplanten Aufführungen gilt, wird der Plan geändert. Jetzt habe ich genug Zeit, um das VNV-Projekt in Shinjuku abzuschließen.

Höhe Yodobashi Camera muss ich feststellen, dass 100% der Japaner online sind. Hier in der Straße stehen dutzende Japaner und alle starren auf ihr Smartphone. Alle. Wirklich alle. Ich bin wohl der einzige, der offline ist. Kurzer Blick. Ja, ich bin der einzige. Auch in der Nebenstraße gibt es nur Smombies.

Die VNV-Szenen sind allesamt schnell gefunden, auch die in Kabukicho. Eigentlich fehlen die Szenen in der Bahnstation, die ich nicht zuordnen kann und ich habe etwas Zeit übrig, bevor ich mich mit Thomas treffe. Ich schnappe mir die erste verfügbare Bar. Schon im Bezirk Nishi-Shinjuku hatte ich runde Füße; vom sich anbahnenden Sonnenbrand ganz zu schweigen. Endlich sitzen. Die Bar ist minimalistisch eingerichtet: Ein Trensen, ein paar Sessel. Das war es. Der Rest ist nackter Beton. Aber irgendwie ist das was da ist, vollkommen ausreichend.

Abendprogramm

Das Abendprogramm startet in Omoide Yokocho. Aber irgendwie hat sich das ganze hier in den letzten drei Jahren verändert. Und nicht zum Guten. Zum Einen sind zu viele Touristen hier, die nur schauen und im Weg stehen. Zum anderen ist dadurch der Ton und die Stimmung ruppiger geworden. Rein, Essen, Zahlen, Raus. Kann sein, dass es an der Uhrzeit liegt, aber irgendwie habe ich Omoide Yokocho etwas gemütlicher in Erinnerung. (Zum Glück habe ich mit Noren Gai perfekten Ersatz gefunden.)

Wir verlegen nach Kabukicho. Ohne es geplant zu haben sind wir Punkt 19 Uhr in der Godzilla Road, als das Monster zum Leben erwacht. Nach einem kurzer Abstecker zum Eingang des Robot Restaurants steuern wir das eigentliche Ziel an. Die Magic Bar; eine Bar in der Zaubertricks zum Programm gehören. Der erste Trick ist, die Adresse zu finden. Neben den Tricks am Tisch gibt es auch eine Show.

Die 3500yen sind ganz schon happig, aber es ist ein All-You-Can-Drink-In-90min-Plan. Gut, das Tempo des Kellners sorgt schon dafür, dass der Laden kein Minus macht. Andererseite kosten ein Bier gerne mal 600 bis 800yen. Nimmt man jetzt 3 Bier und etwa 1000yen für die Show ist es eigentlich ganz ok. Japan ist halt teuer.

Die Show ist ganz ok. Ich habe das Gefühl, dass viele hier das nur als Nebenjob machen. Ein paar Tricks sind leicht zu durchschauen, bei anderen ist das Palmieren oder Sleight of Hand nicht ganz sauber. Es gibt aber auch ein paar Tricks bei denen ich auf die Misdirection reinfalle. Alles in allem eine kurzweilige Unterhaltung.

Das Finale findet dann in Golden Gai statt. Und welcher Ort wäre besser geeignet, diesen durchgeknallten Straßenzug vorzustellen, als die Bar „Deathmatch in Hell“ [facebook][]; Heavy Metal und Horrorfilme. Was kann man daran nicht mögen.

In Anbetracht der noch vor uns stehenden Fahrzeiten beenden wir den Abend nicht zu spät. Außerdem muss ich den Koffer noch packen. Ich verlege morgen nach Minakami.

der erste Tag – Youkoso Reiwa

Heute besteigt der neue Kaiser den Thron. Heute beginnt die Reiwaära. Große Veranstaltungen sind nicht geplant. So versuche ich mich an den Tokyo Jissha. Allerdings haben auch Millionen andere die gleiche Idee. Auch Sie wollen ihr Goshuin mit einem Eintrag am 01. Mai 2019 füllen. Mein letzter Tokyo-Jissha-Anlauf war am 01.01.2013. Ich habe ein Talent für komplizierte Termine.

Egal. Es geht los (1) Kanda Myoin. Hier ist so früh kaum Betrieb, aber der Souvenirshop hat so früh noch nicht geöffnet. Ich kann das Ema nicht kaufen oder muss noch 30 Minuten warten. Leider ist der Ansatz: 1 Schrein pro Stunde, sonnst klappt es nicht. (2) Nezu Jinja. Hier findet derzeit noch das Azaleenfest statt. Die meisten Matsuristände sind noch mit dem Aufbau beschäftigt. Die Warteschlange am Goshiun-Schalter ist schon etwas länger. Aber ich bin gut im Plan und habe sogar Zeit für Fotos von den Azaleen.

(3) Hakusan Jinja. Der Schrein ist gleich um die Kurve und öffnet erst in 15 Minuten sein Büro. Es steht im Prinzip auf dem Schild, aber der Aha-Effekt kommt erst, nachdem mir es ein Japaner übersetzt. (4) Oji Jinja. Bis hier war so gut im Zeitplan, aber dann kam dieser Schrein. Einer der Größeren in Bezug auf seine Bedeutung. Außerdem bin ich jetzt in der Goshuin-Rush Hour. Ich stehe über eine halbe Stunde in der Warteschlange. Wenn das so weitergeht, habe ich ein Problem.

(5) Shinagawa Jina. Bis hier war die Reihenfolge wie 2013. Dieses Mal ziehe ich diesen Schrein am Südende Tokyos vor und Rolle den Rest von unten auf. Das spart mir 3 Mal Umsteigen; so der Plan. Und da ich dieses Mal auch nicht in den Express einsteige – den bunten und eindeutigigen Markierungen am Banhnsteig sei dank – ist es auch keine Weltreise. Es fällt mir ferner auf, dass es hier einen Fujizuka gibt. Einen kleinen Steinberg, der den Berg Fuji repräsentiert. Die Chance wird genutzt: Ein Mal zum Gipfel und zurück. (6) Shiba Daijingu. Hier biege ich irgendwo falsch ab und muss nach ein paar hundert Metern nach dem Weg fragen. Man bin ich falsch gelaufen.

(7) Hie Jinja; (8) Hikawa Jinja. Es ist jetzt Nachmittag. Ich bin relativ gut in meinem „Ein Schrein pro Stunde“-Plan und habe den langen Streckenabschnitt (Oji nach Shinagawa sind knapp 30 Minuten !) hinter mir. Aber die Warteschlangen an diesen beiden Schreinen sind lang. Sehr lang. Mit meiner Erfahrung vom Oji Schrein schätze ich eine Wartezeit von über einer Stunde. So gerne ich das Goshiun heute komplettieren möchte, aber rein technisch wären das die letzten beiden Schreine, bevor die Büros schließen. Auf der anderen Seite, bin ich im Urlaub, kein Gläubiger und keiner wird alle 10 Schreine heute schaffen. Ich verschiebe das mit Goshuin auf morgen und kaufe nur die Ema.

(9) Tomioka Hachimangu. Hier ist wieder keine Warteschlange, naja ich warte etwa 5 Minuten. (10) Kameida Tenjin. Dieser Schrein ist der letzte, zumal er nahe am Sky Tree steht. Auf dem Fußweg dorthin, werde ich von einem Izakaya angesprochen. Ich lehne ab, mit dem Verweis auf meinen Schreinbesuch. Am Kameida ist noch der Rest der Wisterablüte zu sehen. Und von der Brücke im Wisterafeld sehe ich auch die Warteschlange. Autsch. 60-90 Minuten schütze ich. Es ist der letzte Schrein und ich habe die Zeit.

Und dann überlege ich: Sich hier die Beine in den Bauch stehen oder doch der Einladung des Izakaya folgen. Ich hatte noch kein Mittag und es ist 17 Uhr. Ein paar Leute hinter mir wird ein Schild aufgestellt. Es ist wie an der Kasse: „Letzter Kunde“. Alle die jetzt noch kommen werden heute nicht mehr bedient. Ich bekomme den Stempel also noch. Oder doch das Izakaya? Was solls. Mir fehlen eh schon zwei Stempel, da kommt es auf diesen nicht mehr an.

Zurück am Izakaya sehe ich erstaunte Gesichter. Die hatten wohl alle nicht erwartet, dass ich zurückkomme. Zugegeben, ich habe es selbst nicht erwartet. Und es war die richtige Entscheidung. Ein guter Sake (Daiginjo) und Sushi. Hier könnte der Tag enden, wäre da nicht noch der Sky Tree.

Sky Tree

Ich verkürze die Anreise zum Sky Tree mit einer Taxifahrt und lasse die Tüte mit dem vorhin erst gekauften Reiwa-Sake und Whisky fallen. Der Sake ist hin. Der Whisky zum Glück nicht. Schrecksekunde.

Die Reservierung über japanican sorgt für Konfusion am Counter, aber am Ende spart sie mir die Warteschlage. Einzige Sorge: Ich habe eben, als ich das Handgepäck im Coin Locker geparkt habe, einen Blick nach oben riskiert. Die Wolkengrenze scheint bei 350m zu sein, da wo die Aussichtsplattform ist.

Oben bestätigt sich dies. Ich stehe im Nebel. Ich texte Thomas, dass es eine 50:50-Chance ist, zumal er in die Warteschlange müsste. Es klar ein wenig auf. Man blickt durch kleine Wolkenlücken nach unten. Das ist auch mal eine Ansicht. Genau jetzt bekomme ich die Akkuwarnung. Ganz mieses Timing. Ich halte mich am Auslöser zurück.

Auf 450m ist die Sicht nicht viel besser, anfänglich; wird aber mit der Zeit immer besser. Klar, ich habe Thomas kurz zuvor getextet, dass ich etwa um 2045 wieder unten bin. Egal.

Zusammen mit Thomas geht es jetzt zur Ninja Bar. Die Bar muss ich ihm zeigen. Sie ist so schon durchgeknallt. Genau, das was man von Tokyo erwartet. Wir probieren uns durch das Sakesortiment und ruinieren die Spotify-Playlist der Bar: Hatsune, Softbank Hawks Theme, Bridear, Ramstein, Apokalyptischen Reiter, … Ich gebe zu, das ist sehr eklektisch. Ach ja, auch hier werde ich wiedererkannt; „the German guy from last year“.

Dieses Mal achte ich darauf, dass wir rechtzeitig aufbrechen. Die beiden müssen noch mit der Asakusa-Line bis Shinagawa. Ich verabschiede die beiden am Gate und gehe dann zurück zur Ginza Line. Das war der Beginn der Reiwaära.

さよなら 平成 — ようこそ 令和

Heisei .. 平成

… Die Idee nur bis Akihabara zu fahren war unmotiviert, macht mich aber wieder fit. Außerdem fällt mir wieder ein, dass heute der letzte Tag von Heisei ist. Soll ich noch schnell irgendwo hin. Ich vermute, dass in Shibuya um Mitternacht irgendwas passiert. Aber vielleicht nur in einzelnen Clubs und Kneipen. Wie gesagt, es gibt kein Partykonzept in Japan für so einen Tag.

Und wenn da nur der Regen nicht wäre. Ja, es hat wieder angefangen zu regen. Und wie. Außerdem heißt Shibuya oder irgendein anderer potentieller Partyort, dass man kurz danach zur letzten U-Bahn laufen muss, wie zigtausende andere Japaner; oder alternativ ein 50€-Taxi benötigt.

Das klingt nach einer Menge Stress nur für die Möglichkeit der Teilnahme einer vermuteten Veranstaltung. Und wenn da nur der Regen nicht wäre.

Also Plan B: Ein kleine Flasche Reiwa-Sake (den ich heute Vormittag in Coredo gekauft habe) und das Rotenburo auf dem Hoteldach. Es sicherlich nicht der beste Plan, aber er hat Stil.

秒読み

Und so genieße ich ein heißes Onsenbad auf dem Hoteldach, während die Uhr Richtung Mitternacht tickt. Der Sake steht am Beckenrand. Es regnet. Der Sound von Tokyo der Heisei-Ära umgibt mich.

5 … 4 … 3 … 2 … 1 …

Das wars. Die Regentschaft von Kaiser Akihito ist beendet. Die Ära Heisei ist jetzt Vergangenheit und Teil der Geschichtsbücher. Ab jetzt befindet sich Japan in der Ära Reiwa. Es fühlt sich nicht anders an als vorher. Aber irgendwie ist der Moment doch bedeutungsvoll. Wohl auch, weil ein solches Ereignis nur wenige Male im Leben erlebt werden kann. Der Sake steht am Beckenrand. Es regnet. Der Sound von Tokyo der Reiwa-Ära umgibt mich.

Kanpai

Reiwa .. 令和

In ein paar Stunden wird der neue Kaiser Naruhito zeremoniell die Reichsinsignien entgegenehmen und formal den Thron besteigen. Auch all das wird wieder hinter den verschlossen Türen des Palastes geschehen. Und was ist mein Plan für diesen Tag? Ich versuche mich erneut an den Tokyo Jissha. [Nachtrag: Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass der Goshuin-Eintrag von diesem (heutigen) Tag eine Besonderheit ist, und die Warteschlagen entsprechend lang sind.]

[Und ja, dies sind Screenshots vom Fernseher. Alle Zeremonien fanden im Palast hinter verschlossenen Türen statt. Und es gibt auch keine Fotos von mir im Onsen.]


Nachtrag: Die Bilder von Mitternacht zeigen, was für eine Bedeutung dieser Tag / diese Nacht hatte: Überall standen Leute im Regen und haben den Countdown runtergezählt. Es gab Feuerwerke. Einige Zuglinien hatten sogar spezielle Bahntickets für die Züge um Mitternacht. Witzig in diesem Kontext war der Bericht über eine Bahnfahrt, in der die Leute nicht mal mitgekriegt haben, dass Mitternacht vorbei ist und Reiwa begonnen hat. Hmm. Osaka hat mal wieder alles getoppt: Drei Japaner sind von der berühmten Brücke in Dotomburi in den Fluss gesprungen … Aber überall hat es geregnet.

noch 2 Tage – Underground, Shibuya, Roppongi

Der heutige Plan wurde etwas durcheinandergewürfelt. Auf den Wegen durch den Tokyo Underground habe ich die Zeit verloren. Außerdem musste ich noch die Gegenlichtblende im Imperial Hotel abholen. Am Ende fehlten mir zwei Stunden.

Sony Park und Kabukiza Underground

Der ersten Teil des heutigen Tages ist wieder dem Tokyo Underground gewidmet. An der Station Ginza wurde ein Gebäude abgerissen. Die Kelleretagen existiert noch. Der Neubau beginnt erst nächstes Jahr. Also hat man dort einen unterirdischen Park eingerichtet. Es ist mehr wie ein Eventsraum. Auf der einen Ebene steht ein Klavier. Darüber gibt es einen Hydropond in gedimmten Licht. Wasserplätschern aus dem Lautsprecher, dazu Lichtspiele. Dieser Hydropond wirkt so surreal.

Auch wenn hier keine Bäume wachsen und überall Betonwände sind, vergisst man, dass man gerade mehrere Meter unter der Erdoberfläche ist. Und der Ort ist genau entspannend wie in Spaziergang im Park.

Ein Station weiter gibt es unter dem neu gebauten Kabukiza eine riesige Shopping Mall. Auch hier kommt nicht auf die Idee, dass man auf der Ebene der U-Bahn unterwegs ist.

Shibuya (VNV-Projekt)

Es wird Zeit für Sonnenlicht, daher verlege ich – nachdem ich die Sonnenblende abgeholt habe – nach Shibuya, um das VNV-Projekt fortzusetzen. Und ich muss feststellen, dass ich nach 2004 eigentlich niemals wieder wirklich in Shibuya war. An der berühmten Kreuzung ja. Aber heute betrete ich nach 15 Jahren endlich wieder Center Gai.

Auf halber Strecke durch die Fotopunkte sehe ich rechts Werbung für einen Ramenladen im Keller. Und ja, es wäre eine gute Zeit für Mittagessen. Jeder Sitz hat eine Blick auf die nackte Kellerwand. Und die Toilette ist im 4. Stock. Aber das Ramen ist genial. Es hat eine Hühnerbrühe als Basis, ein Novum. Es ist quasi Omas Hühnersuppe auf Sterioden.

Die letzten VNV-Fotos sind aus der Gegend von Love Hotel Hill. Und ja, rein optisch ist es fast wie die Reeperbahn. Auch heute hat das Projekt mir einen neuen Blick verschafft. Dieses Mal auf einen Stadtteil, den ich so noch nie besucht hatte. Den Shinjuku-Teil verschiebe ich auf den 2. Mai, damit ich bei Y&Sons shoppen kann.

Die „Baustelle des Tages“ geht übrigens an Shibuya-Eki. Der hat einen neuen Bahnsteig, der mehrere hundert Neter von den anderen Bahnsteigen entfernt ist. In anderen Ländern wäre das ein eigener Bahnhof.

Y&Sons

Die erste Wahl ist der Stoff und die Farbe. Gar nicht so einfach, wenn man nur die Ballen vor sich hat und sich den fertigen Kimono vorstellen muss. Der Stoff für den Haori? Welchen Obi? Farbe und Stil des Haorihimo? Tabi? Geta? Das wird echt aufwendig. Parallel zu allen Entscheidungen steigen die Einträge auf der Rechnung.

Dann wird vermessen: Länge, Hals bis Schulterspitze und Schulterspitze bis Handgelenk. Das wars? Cool, Bauchumfang ist nicht wichtig. Der Herr mit dem Maßband stellt fest, dass meine Ärme länger sind als die Stoffballen breit. Das Problem ist lösbar; gegen den Einwurf weiterer Münzen. Nach knapp zwei Stunden ist alles notiert und von meiner Kreditkarte wurde ein Betrag abgehobelt, so dass sie jetzt durchsichtig ist.

Egal. Ich wollte so einen Kimono schon seit Jahren. Ich bin bei meiner Wahl vorsichtig gewesen; konservativ; quasi ein dunkler Brioni statt Tommy Hilfiger; Ritz Carlton nicht Aida Clubschiff.

Roppongi Hill Mori Tower

Es ist 17 Uhr und ich starte mit Stativ bewaffnet zum Mori Tower in Roppongi Hill (es gibt da mehrere Mori Tower in Tokyo). Thomas ist seit ein paar Stunden in Japan. Und das Sky Deck ist der vereinbarte Treffpunkt.

Allerdings habe ich nicht mit der irre langen Warteschlange gerechnet; 30 Minuten, bis ich am Fahrstuhl bin. Warum das so ist, entdecke ich oben: eine Pixar-Ausstellung. Es ist aber genug Zeit für Fotos. Es dauert etwas, bis Thomas und ich uns finden, aber wir finden uns.

Das Skydeck darf weder mit Stativ, nach mit zweitem Objektiv, Rücksack oder Tasche betreten werden. Das nenne ich mal Paranoia und eine Gelegenheit 300yen für einen Coin Locker abzugreifen. Ich muss selbst meinen Gürtel mit der Objektivtasche abgeben. Das sind eine Menge Minuspunkte für den Mori Tower.

Für den Ausklang des Tages und den Auftakt von Thomas Urlaub fahren wir nach Yurakucho. Wie ich erst im Nachgang feststelle, habe ich den falschen U-Bahn-Ausgang gewählt, stehe auf der falschen Seite der Brücke und alles ist um 180° gedreht. Statt runter nach Shimbashi gehen wir rauf nach Tokyo. Ok. Wir finden einen Ort für ein Abendessen. Vielleicht sollte ich wirklich ein Kartenplotter kaufen. Ein Smartphone auf 24/7-standby ist keine Option. Ich bin kein Smombi und ich bin im Urlaub.

Für mich heißt das, dass ich 2020 noch einen Anlauf für diesen Steckenabschnitt benötige. NHKs „Fun under rails“ muss sich noch ein Jahr gedulden.

 

noch 3 Tage – Matsuri, ein Abends mit Stil

Der Weg nach Asakusa ist eine U-Bahn-Fahrt mit 6 Stationen.  Ich stelle fest, dass die Baustelle in Suehirocho fertig ist und die ganze Station mit Zetteln gespickt ist, die darauf hinweisen, dass man unten in der Station, die Fahrtrichtung nicht mehr wählen kann.

Die nächste Station ist Ueno-Hirokoji, und dann Ueno. Hier kommt die Folge „Tokyo Underground“ von NHK ins Spiel. Alle Stationen von Ueno bis Asakusa wurden frisch renoviert und haben ein Thema bekommen: Ueno referenziert den Uenopark mit seinen Museen. Sie haben sogar eines der alten Drehkreuz der Station als Ausstellungsobjekt in der Station aufgestellt.

In Inaricho und hier dominiert Holz. Es ist eine Referenz an die alten Holzhäuser Japans. In Tawaramachi gibt es Wabenmuster aus Metall, die darauf verweisen, dass dies ein Handwerkerviertel war. In Asakusa angekommen dominieren zinnoberote Flächen den renovierten Teil der Station.

Nakizumo

In Asakusa fange ich sofort mit dem VNV-Projekt an (über das ich separat berichten werde), bis mich eine Uhr daran erinnert, dass hier noch ein Veranstaltung stattfindet. Das Nakizumo. Eine Sache, die ich erklären muss: Zwei Sumoringer versuchen kleine Kinder zum weinen zu bringen. Je lauter sie weinen desto besser. Es soll die Kinder gesund und stark machen.

Die ganze Nummer ist irgendwie nicht kompatibel mit meinem westlichen Gehirnwindungen. Zumal der Weg zum weinenden Kind nicht immer erfolgreich ist. Manche Kinder sind eher hochamüsiert, wenn Monstermasken das Gegenteil bewirken sollen.

Zur Hälfte des Nakizumu wechsel ich wieder zum VNV-Nation-Projekt. Es ist erstaunlich, wie sich der Blick auf einen Stadteil, einen Tempel, ja auf eine Häuserfassade ändert, wenn man versucht den Screenshot nachzustellen. Ich bin schon gespannt, welche neue Sichtweisen sich in Shibuya und Shinjuku ergeben.

Das nächste Matsuri auf dem Tagesplan findet in Ryogoku statt. Eigentlich wollte ich die Chancen nutzen, um auf dem Weg dorthin die Brücken des Sumidagawa zu fotografieren, aber die sind alle eingerüstet. Die bekommen rechtzeitig für 2020 einen neuen Anstrich. Also dann nächstes Jahr.

Nigiwai Matsuri

Das Matsuri ist eine kleines Stadtteilfest. Die Stimmung ist entsprechend lokal und entspannt. Direkt am Kokugikan schnappe ich mir eine Dose Highball und eine Schale mit Chankonabe.

Die Straße neben dem Bahnhof  ist gesperrt und voll mit Buden für Essen, Trinken und andere Dinge. Oben am Edomuseum ist noch ein Wettkampf von Tanzgruppen. Ob das zum Matsuri gehört oder eine eigenständige Veranstaltung ist, kann ich nicht sagen. Ist aber auch egal.

Ein Blick auf die Uhr verrät: Ich habe die Zeit vergessen. Es ist bereits 16 Uhr. Ich verschiebe den Kimono auf morgen und starte direkt mit dem Rücksturz zum Hotel. Für die letzten beiden Punkte auf dem heutigen Plan gilt ein Dresscode.

Suigian

So langsam habe ich die Reisezeiten in Tokyo raus. Ich bin kurz vor 19 Uhr in Nihonbashi. Das Suigian ist am Ende eines kleinen Parks mit dem Fukutoku-Schrein, der sich inmitten der nagelneuer Hochhäuser befindet. Das hier ist genau das andere Tokyo, der maximale Kontrast zu Kyojima von gestern.

Das Suigian ist genau wie ich es mir vorgestellt habe. Es hat Stil. Da wegen der Golden Week sehr wenig los ist, bekomme ich ein Sitzplatz direkt an der Bühne. Das Sushimenü (leider wegen der Lichtverhältnisse etwas unscharf geraten) gibt den richtigen Auftakt, dazu ein Glas guter Sake.

Die Noh-Aufführung ist in drei Teile unterteilt. Ich bekomme englische Hintergrundinformationen zu allem. Und ich brauche Sie. Für die Sprechweise des Noh brauchen selbst Japaner Untertitel. Was mir von meiner Sitzposition direkt ander Bühne auffällt, ist die Art zu gehen. Suriashi.  Ich weiß nicht, ob ich das könnte: mich gleichzeitig auf das Suriashi, den Text, die Gesten und die Körperhaltung konzentrieren. Gegen 22 Uhr ist Last Order.

Imperial Bar

Dies passt ganz gut, denn ich will noch in die Imperial Bar verlegen. Das Hotel ist schon Upper Class. So viel Personal allein in der Lobby habe ich zuletzt im Ritz-Carlton gesehen. Die Bar ist im Obergeschoss und ich muss etwas warten bis ein Sitzplatz frei wird.

Die Whiskypreise sind hoch. Das war aber zu erwarten in der Hotelbar eines Luxushotels in Japan. Die Cocktails sind ebenfalls teuer, wenn man bedenkt, dass sie etwa 8cl groß sind. Das Daddy O ist dagegen ein Schnäppchen.

Zurück zu meinem Hotel nehme ich ein Taxi. Es ist spät geworden und ich will etwas Zeit retten, zumal ich nicht weiß, ob noch eine U-Bahn fährt. Außerdem kommt es nach dem heutigen Abend auf die etwa 20€ auch nicht mehr an.

Fazit: Ich muss noch einmal ins Suigian. Der Ort ist genau auf meiner Linie. Und ich muss morgen noch Mal in die Imperial Bar … Ich habe die Sonnenblende vom Objektiv und meine Infos aus dem Suigian liegen gelassen.


Nachtrag: Die Idee für das Suigian stammte von der NHK Show Tokyo Eye 2020. Da während der Show keine Foto erlaubt sind (und ich im Gegensatz zu anderen Touristen sowas respektiere – Stichwort Fotoverbot in Kyoto Gion) greife ich hier mal auf die Screenshot des NHK Show zurück.