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Hakone / Yokohama

Es bleiben 2 Tage und 2 Ziele. Heute ist Hakone dran, morgen Nikko. Mit dem Shinkansen geht es nach Odawara. Damit ist es fast die gleiche Reiseroute wie gestern. DaAnk des Shinkansen verlief es bis hierher aber viel schneller. Ein Problem entdecke ich erst in Odawara: Mein JRP ist gestern abgelaufen. Der Datumstempel beginnt mit dem Jahr in japanischer Zähling. 16.10.15 mein 15. Oktober im Jahr Heisei 16 = 2004. Ich hab das die ganze Zeit als 16. Oktober gelesen. Das werde ich auch als Ausrede benutzen. Ich muß den JRP noch den ganzen Tag nutzen. Ich habe sonst nicht genug Geld dabei.

Mit einer Bummelbahn geht es 4 Stationen weiter nach Hakoneyumoto. Hier muß ich erneut umsteigen. Die Bahn in die ich jetzt einsteige sieht alt aus. Sie erinnert etwas an die Straßenbahnen von San Francisco. Echte Nostalgie. Die Strecke führt den Berg hinauf nach Gora. Plötzlich stoppt die Bahn auf freier Strecke. Draußen läuft der Schaffner vorbei. Was ist jetzt los? Es geht rückwarts. Zurück? Nein, weiter bergauf. Jetzt kapiere ich, die Bahn fährt Zickzack den Berg hinauf. Wäre eine coole Idee für eine Modelleisenbahn.

Dann wieder ein Stop. Der nächste Wechsel? Meine Augen bleiben auf dem Schaffer. Er rennt von links nach rechts. Auf halber Zuglänge trifft er auf einen anderen Schaffner. Salutieren die? Ich glaube es nicht. Dann läuft er weiter. Der zweite Schaffner rennt ebenfalls weiter. Da haben die zwei Leute im Zug. An jedem Ende einen, aber nur einer darf den Zug fahren und muß bei jedem Richtungswechsel von vorne nach hinten rennen? Sieht ganz danach aus.

Es geht weiter. Am dritten (und letzten) Richtungswechsel das gleiche Spiel. Seitenwechsel, Salutieren und weiter. Die Bahn fährt kaum schneller als Schrittempo. Es bleigt genug Zeit, den Blick in die Berge zu genießen. Bis auf wenige Stellen ist die Strecke eingleisig. Viele Züge fahren hier nicht.

Bergwanderung

In Gora muß man erneut umsteigen. So langsam nervt das. Der nächste Abschnitt ist nur 1km lang. Es ist eine Art Seilzugbahn, die mit konstranter Steig am Berg hochfährt. Bahnsteig und Waggons sind schräge gebaut, die Türen der Steigung entsprechend angepaßt. In Sounzan muß man in eine Seilbahn umsteigen. So langsam geht das ins Geld.

Ich verfolge einen anderen Plan. Ich habe ein kleines Schild gesehen. Es gibt einen Wanderweg nach Owakudani. Der Weg führt über den bewaldeten Berg. Eine Alternative nach dem ganzen warten und in Zügen sitzen.

Der Weg beginnt, natürlich, mit Stufen. Dann beginnen auch schon die Schwierigkeiten. Die Treppe selbst sind kaum mehr als ein Trampelpfad mit Steinen, die die Stufen bilden. Die Steine hören auf. Festgetretener Sand und Wurzel ersetzen sie. Der Weg ist mehr oder weniger eine Rinne im Waldboden, die das Regenwasser bergab nimmt. Moos, rutschige Wurzeln und Stufen aus Lehm bilden den Weg, der als Linie in der Karte eingezeichnet war.

Anstrengend. Miyajima war ein Witz dagegen. Nach einer Stunde habe ich etwa 300 Höhenmeter geschafft. Oder waren es mehr. Ich habe keine Ahnung. Es geht weiter. Die Vegetation ändert sich. Weniger Bäume, mehr Büsche. Mir kommen immer wieder Japaner entgegen. Ausweichen auf dem schmalen Weg ist nicht einfach. Dann der Gipfel.[Nachtrag: In google-Maps beginnt der bei 760 Höhenmeter. Der erste Gipfel ist bei knapp 1360m]. Blick auf den Fuji. Wow.

Weiter geht es auf dem Bergrücken. Ein Abzweiger. Links geht es zum Gipfel des Wie-auch-immer. Rechts nach Owakudani. Aber was macht das Warnschild hier? Der Weg ist gesperrt wegen Vulkangasen. Na super. Also über den Gipfel zum See oder zum zweiten Gipfel und mit der Seilbahn weiter zur Südspitze. Das ist auch ein Plan, aber ich verpasse Owakudani; das Zentrum von Hakone. Soll ich zurück zur Seilbahn nach Gora? Pause zum Nachdenken.

Eine weitere Japanergruppe kommt. Jetzt stehen wir zusammen vor dem Warnschild. Sie erkennen mein Dilemma, noch bevor ich frage. Die Antwort verblüfft: Kein Problem. So schlimm ist es nicht. Sie wollen auch diesen Weg gehen. In Owakudani steht deren Auto. Wir tun uns zusammen. (Vorab: Alleine hätte ich das nicht gewagt, und das wäre auch gut so gewesen.)

Owakudani

Der Weg führt bergab. Loses Geröll. Nicht ganz einfach. Und so wie ich das sehe klettere ich das nicht wieder hinauf. Es gibt kein zurück. Der Geruch von Schwefel steigt in die Nase. Die Vegetation ändert sich. Kein Bäume nur Büsche und Bambus. Dazwischen tote Sträucher und Bäume, bzw. deren Überreste in Form grauen Ästen.

Dann eine Absperrung auf dem Weg. Die Japaner klettern rüber. Ich hinterher. Ein paar Meter und Kurven später sind auch letzten grünen Blätter weg. Der Schwefelgeruch nimmt zu, kratzt im Hals. Eine Mondlandschaft. Nur noch weißgraue Stöcke, die einmal Bäume waren. Überall neben dem Weg steigt Rauch auf. Eindeutig: Vulkangase. Deshalb die Absperrung. Alles um einen herum sagt, man sollte besser nicht hier sein.

Ein Japaner warnt mich. Die nächsten Meter besser nicht atmen. Spinnt der? Jetzt sehe ich warum. Der Weg verschwindet im Nebel; besser gesagt im Schwefel. Mit Anlauf geht es durch die Wolke. Atmen kann mn hier nicht. Die Landschaft ist gespenstisch. Der Boden und die ganzen Baumreste sind grauweiß. Einige Stellen sind schwefegelb. Überall dampft es. Man hört es brodeln. Postapokalyptisch.

Ein Blick zurück. Der Berg sieht so grün aus. Vor uns dutzende Touristen; auf der anderen Seite einer Absperrung. Die bestaunen das Kraterfeld von Owakudani. Ich bin mittendrin. Schnell arbeiten wir uns durch an den dampfenden Kratern vorbei, durch die Büsche auf die richtige Seite des Zauns. Erst jetzt fühle ich mich sicher. [Nachtrag 2010: Bei dieser Reise habe ich keine Fotos gemacht, aber 2008. Ich werde weitere Fotos ergänzen.]

Lake Ashi

Ich werde auf eine Runde Onsen eingeladen. Ich entscheide mich dagegen. Zum einen will ich die Japaner nicht weiter nerven, zum anderen muß wollte ich nich zum Lake Ashi und dann muß ich auch noch zurück nach Tokyo. Was sie sich nicht nehmen lassen ist, mich runter zum See zu fahren. Ich bedanke mich bei der Truppe und setze meinen Weg alleine fort. Dieser Weg beginnt mit einer leckeren Schüssel Soba, denn zur Abfahrt des Bootes sind es noch 30 Minuten.

Die Bootsfahrt ist entspannend. Endlich etwas Pause. Leider nur wenig Ruhe. Die ganze Fahrt wird begleitet von einer Art Reiseführere auf Band. Oben an Deck ist es zwar etwas kühl, aber die Lautsprecher sind unter Deck. Lake Ashi ist ein Kratersee. Das Ufer entsprechend steil. Bäume wächsen hier bis ans Wasser heran. Sehr schön anzusehen. Auf der linken Seite steht ein kleines Torii mitten im Wasser. In Hakonmachi endet die Fahrt. Es ist noch etwa eine Stunde hell.

Hier war zu Samuraizeit eine Mautstation. Sie befand sich auf der Handelsroute zwischen Tokyo und Kyoto. Die Begriffe Kanto, für die Region um Tokyo, und Kansai, für die Region um Kyoto, haben ihren Ursprung durch dieser Station. Meine sie doch übersetzt nichts anderes als östlich bzw. westlich der Station. Der Checkpoint ist sicherlich keine Reise, aber wenn man hier, kann man ihn ruhig besuchen. Nur um da gewesen zu sein.

Vom Checkpoint für eine 2km langes Stück der alten Handelsstraße nach Moto-Hakone. Der Weg führt durch einen Zedernwald. Die Bäume beeindrucken immer wieder; sehr hoch und kerzengrade. Leider ist der Abschnitt nur 2km. Oder auch zum Glück, denn die Dämmerung kommt immer näher.

In Moto-Hakone besuche ich den Hakone-Schrein. Hier steht ein Torii im Wasser. Das muß das Torii sein, das ich Wasser aus sah. Die Dämmerung beginnt. Man sieht auf dem Wasser, wie der Schatten der Berge schnell größer wird. Ich gehe zurück nach Moto-Hakone. Ich habe Glück. die Wolken am Horizont veschwinden und geben den Blick auf den Fuji frei, an dessen Flanken sie festhingen. Jetzt hat der Fuji nur noch einen Wolkenring um sich herum. Der Berg leuchtet in der Dämmerung in einem unwirklichen rot. Der Blick von hier auf den Fuji hat mehr als der gestrige Tag.

Langsam verfärbt sich der ganze Himmel orange, die Reflektion im Wasser ist goldgelb. Nach 10 gefühlten Minuten ist das Spektakel vorbei. Es wird jetzt schnell richtig dunkel und ich sitze alsbald im Bus zurück nach Odawara. Es fahren auch Busse nach Yumoto, aber der nach Odawara erspart mir das Umsteigen. Von dort nehme ich den Local nach Yokohama. Den Shinkansen riskiere ich nicht wegen des abgelaufenen JRP.

Landmark Tower

Ich verlaufe mich erst einmal in den Korridoren und Ebenen von Yokohama Eki. Ich brauche fast 30 Minuten bis zum Gate der Minatomirai. Schnell geht es durch die Lobby des Landmark Towers. Riesig. Die Halle geht über wieviel, 8 Etagen? Einfach riesig. Der Eintritt kostet mich 1000yen. Dafür fahre ich mit dem schnellsten Aufzug der Welt (Stand 2004) in 74F (274m). Inklusive Tür zu und auf nicht einmal 40 Sekunden. 170m/min. Man hat richtig Druck auf dem Trommelfell.

Die Aussicht ist Wahnsinn. Und der Blick ist in jede Richtung anders. Nach Norden geht der Blick in Richtung Tokyo. Leider kann ich die Skyline von Shinjuku oder den Tokyo Tower nicht erkennen. Zu weit weg. Nach Osten blickt man über den Hafen, den Freizeitpark und die Brick Warehouses. Hell erleuchtet. Dahinter dunkel die Tokyo Bay. Nach Süden geht der Blick Richtung China Town, den Marine Tower und das Partyschiff. Auch die Promende ist zu sehen. Man erkennt die Autobahn und die Bahntrasse. Direkt unten am Fuß der Tower liegt alles gestapelt übereinander. Gleich daben das Segelschiff. Im Süden und Westen sieht man Yokohama. Am Horizont, im dunklen nicht zu sehen, der Fuji und Hakone. Was man alles erkennt. Die Bay Bridge. Man sieht das Queens Plaza von oben und das Convention Center. Die Insel dahinter müßte der Flughafen Haneda sein.

Jetzt wird genossen. Ein Landmark Cocktail (Rum, Grapefruit, Blue Curacao), anschließend Kaffee und Kuchen. Noch einmal der Panoramablick, und dann mit dem Fahrstuhl wieder runter. Eingentlich war China Town als nächster Stop geplant. Ich komme aber nur bis zur Treppe runter zum Schiff.

Hier zeigt ein Straßenkünstler, was er kann. Jonglieren, Zauberstücke, Luftballons knoten. Ich bleibe bei der Show hängen. Musik und Unterhaltung mehr oder weniger auf der Straße. Ich verstehe kein Wort, der Spaß ist dennoch groß. Immer wieder animiert er das Publikum zum mitmachen, teilweise auf knien. Geschäftsleute auf dem Weg nach Hause bleiben stehen. Das Publikum wird größer. China Town fällt aus. Das ist besser. Gestern Jazz, heute das und die Wanderung durch das Kraterfeld. Dieser Urlaub lebt immer mehr von spontanen Siuationen. Um 23 Uhr ist Sense. Ich muß zurück nach Tokyo.

Erdbeben

Gegen 1:30 werde ich wach. Ich habe das Gefühl der ganze Raum schwankt wie ein Schiff. Oder doch nicht. Doch. Die Kugelschreiben fallen vom Tisch. Erdbeben. Anders als ich es erwartet habe. Der Fußboden schwingt horizontal; in meine Fall von links nach rechts. Ganz leicht und gleichmäßig, aber definitiv beunruhigend. Zumindest bin ich hellwach. Adrenalin sei Dank. Dann ist es alles vorbei. War das jetzt real? Ich schaue aus dem Fenster. Draußen schwingen die Stromleitungen immer noch. Was tun? Ich warte, ob ein Alarmton losgeht. Nichts. Ich schreibe eine schnelle Notiz und lege mich wieder hin: Schwingung etwa in Nord-Süd-Richtung, Amplitude schlecht zu sagen, Freqeuenz etwa 2 Hz.

Etwas später in der Nacht das gleiche noch einmal. Oder bin ich jetzt übersensibel?

[Nachtrag 2012: Das Beben ereignete sich um 17:19 UTC eta 50km vor der Küste von Oarai, Ibaraki. Es hatte eine Stärke von 5,4m. Das Nachbeben folgte um 18:54 UTC mit 5,8m. Ich vermute eine 4 ist in Tokyo angekommen. Es sind etwa 170km Luftweg zum Epizentrum. Nach Mercalliskala war es hier in Tokyo eine IV, nach JMA-Skala eine 4.]

Randnotizen

  • Fazit: Ein rundum guter Tag. In der Liste der „der ganze Tag war super“ steht er mit ganz oben. Nach Nara und Kamakura der wohl drittbeste Tag.
  • Japaner sind Zwangsneurotiker

Kawaguchi / Shinjuku Jazz

Um das gleich vorweg zu nehmen: dieser Tag war voll daneben. Versucht niemals mit dem Zug über Gotemba in Richtung Fuji zu reisen. Geht lieber zu Fuß. Der heute Tag markiert die untere Kante dieser Reise. Selbst die Irrfahrt nach Matsushima war dagegen gut. Dabei fing allse so gut an; auch das Finale hatte es für sich. Nur die Zeit dazwischen …

Das Wetter ist gut, 20 Grad und Sonne. Heute geht es zum Fuji. (Leider habe ich die Reiseroute nicht notiert. Ich glaube ich bin mit dem Local nach Kouzu gefahren, nachdem man mir sagte, daß der Shinkansen vorbeifährt, aber an den entscheidenden Bahnhöfen nicht hält.) Nach dem Umsteigen in einen anderen Zug mit einer halben Stunde Wartezeit auf einem Bahnhof im Nirgendwo, gelange ich nach Gotemba. Nach Karte bin ich jetzt am Fuß des Fuji. Soweit so gut. Der Fuji ist viel größer geworden, wirkt aber immer noch weit weg.

Von hier fährt nur ein Bus zu Fuji. Also los. Der Bus fährt und fährt. Meine Laune sinkt immer tiefer, die Preisanzeige im Bus steigt und steigt. Nach Karte sind es höchsten 20km. Was kann da schon so lange dauern. Aber dieser Bus zuckelt durch die Gegend. Ich gehe nach vorne und Frage, ob ich im richtigen Bus sitze. Ja doch.

Endlich Yamanakako, der erste der fünf Fujiseen. Um nicht völlig zu explodieren fange ich ein Gespräch mit dem Australier hinter mir an. Auch er hatte sich die Anreise anders vorgestellt. Im Gegensatz zu mir ist er aber erstaunlich gelassen. Dann endlich, nach einer nun insgesamt 5-stündigen Odyssee erreiche ich Kawaguchi. Es ist 14 Uhr. Dichter an den Fuji komme ich nicht mehr. Jetzt verstehe ich auch seine Gelassenheit. Er ist Backpacker. Er verschiebt den Fuji einfach auf morgen oder übermorgen. Zuerst steuern wir die Tourizentrale an. Er sucht ein Hostel, ich einen Weg zurürck.

Jetzt der Schlag ins Gesicht. Es gibt eine Busverbindung ab Shinjuku. Arghhh. Der Bus fährt über die Autobahn und braucht 2 Stunden. Ich dreh durch. Jetzt brauche ich ein Bier. Schnell. Runter zum See. Auch er hat Hunger. Kurz vor dem Ufer gabelt sich die Straße. Hier steht ein paar kleine Restaurants; Garküchen trifft es eher.

Wir entscheiden uns für eine. Ob es die beste Wahl war… Der Laden ist klein und schon etwas runtergerockt. Aber was solls. Bier und Soba. Etwas salzig. Hugh. Das ist das Problem wenn man die Karte nicht lesen kann. Auch die Toilette ist eine Überraschung. Es Keine Schüssel. Ein japnisches Stehklo. (Loch im Boden). Super. Heute hat sich alles gegen mich verschoren. Pinkeln geht noch. Für Rest benötige ich wohl ein Handbuch wenn nicht gar einen Volkshochschulkurs.

Von dem Resto sind es nur wenige Meter zur Seilbahn zum Mt Tenjo. Von hier oben hat man eine gute Sicht auf den See und den Fuji. So dicht dran und doch so weit weg. Anschließend begleite ich den Australier zum Hostel. Wir laufen durch die Randbezirke von Kawaguchi. Hier ist nichts los. Im Vergleich zu Tokyo geradezu dünn besiedelt. Die Straße zieht sich hin. Die Häuser sehr alt und runtergekommen aus. Ein Eindruck, der sich immer wieder bestätigt. Dieser Eindruck setzt sich aus mehreren Dingen zusammen. An den Häusern ist viel aus Metall. Dieses rostet. Die Fenster haben Einfachverglasung. Es fehlen die für Deutschland typischen Vorgärten. Alles sieht etwas rumpelig aus. Wenn man das jetzt in die USA packt würde man sagen, schlechte Nachbarschaft.

Wir laufen noch etwas die Straße entlang. Der Fuji kommt nicht dichter. Wir drehen um. Er steuert nun final das Hostel an, ich gehe zurück zum Bahnhof. Da es bis zur Abfahrt des Busses noch ein paar Minuten mehr sind, laufe ich durch Kawaguchi. Hier im Stadtzentrum ist auch nicht viel los. An der Ostsee würde ich sagen Nebensaison. Noch ein paar Fotos vom See und dann Abfahrt.

Shinjuku Jazz

Die Fahrt über Land ist wenig ereignisreich. Paßt zum Rest des Tages. Gegen 19:30 fährt der Bus auf den Chuo Expressway. Jetzt geht es sehr schnell. Am Horizont erkennt man die Lichter von Tokyo. Sie kommen näher und werden immer mehr. Noch kann ich keine bekannten Punkte erkennen. Und das gibt es wohl nur in Japan: Bushaltestellen auf der Autobahn. Der Bus stoppt wirklich mehrmals auf dem Standstreifen, um Leute ein- und austeigen zu lassen.

Gegen 19:50 erkenne ich die Skyline von Shinjuku. Die Twin Tower des Rathauses. Ein Blick zur Seite. Wir sind bereits umgeben von Tokyo. Ein Foto ist leider nicht möglich. Die Kamera will mindestens 1 Sekunde. Nicht in einem fahrenden Bus.

Der letzte Abschnitt der Fahrt beginnt. Die Häuser werden immer höher. Die Autobahn führt jetzt mitten hindurch. Ein rot-weißes-Lichtband. Immer mehr Bürotürme. Dann geht es von Express runter auf die normale Straßenebene. Ein paar Kurven. Dann in eine tiefer gelegene Ebene. Shinjuku. Der Bus hält. Die Fahrt zum Fuji wäre so einfach gewesen.

Leider kann der Busfahrer den 10000er nicht wechseln. Ein japanübliches „Please wait“ folgt. Er geht ins Gebäude und läßt mich im Bus zurück. Nach etwa 2 Minuten kommt er mit Wechselgeld wieder. Jetzt kann ich bezahlen. Das nenne ich Service.

Anschließend geht es durch das Nachtleben. Zuerst verlaufe ich mich im dem Gängesystem der U-Bahn. Ich habe keine Ahnung, wo ich bin. Irgendwann bin ich wieder auf Straßenniveau. Irgendwo. Ein Jazz-Combo spielt Jazz; mitten auf der Straße. Tokyo ist immer wieder für eine Überraschung gut. Ich hole mir einen Caramel Macchiato beim Star Bucks ein paar Meter die Straße hinab. Noch auf dem Weg dorthin sehe ich einen Japaner mit Posaune. an mir vorbei laufen. OK. Ich nutze die Gelegenheit, um ein weiteres Souvenir zu kaufen: Eine Tokyo-Starbucks-Becher. Klingt etwas albern, aber irgendwie will ich den haben.

Mit dem Becher und Getränk geht es zurück zu der Jazz-Combo. Tatsächlich, der Japaner mit der Posaune steigt gerade in die Session ein. Ich sehe auch einen Schlagzeuger, der gerade aufbaut. Woher hat er das Schlagzeug? Kann mir egal sein. Was hier gerade abläuft, kann man nicht planen. Ich nehme das einfach mit. Nachdem der Tag total daneben war, brauche ich das jetzt. Ich sitze auf dem Gehweg mitten in Shinjuku, höre Jazz. Es sind etwa 25 Grad. Zumindest der Abend ist gerettet. Nach etwa einer Stunde verlasse ich die Szene. Aufhören, wenn es am Schönsten ist.

Rückreise zum Hotel. Vor dem Bahnhof stehen 4 Karren, wie ich sie aus den Anime kenne. Sie haben die Größe vom Wurst-Maxe-Stand. Neben den Karren stehen Sitzbänke; um die Karren herum stehen kleine Hocker. Die Karren sind überdacht. Lampions leuchten. Es ist ein Art japanischen Fondue. In der Mitte brodelt eine Suppe. Nach Wunsch der Gäste, wirft der Koch verschiedene Sachen hinein und fischt sie etwas später wieder heraus. Ich traue dem ganzen nicht. Keine Ahnung warum. Ich steuere einen Laden an und bestselle ein Karree. Das ist mir sicherer, vom Geschmack meine ich.

Der Weg zurück führt mit der Yamanote nach Okachimachi. Es ist bereits 23 Uhr, aber der Bahnsteig ist rappelvoll. In den Zügen bekommt man nur mit Mühe einen Stehplatz. Dabei fähert die Yamanote immer noch im 6-Minuten-Takt. Auf den Straßen das gleiche Bild. Hier ist mehr los, als in der Lübecker Fußgängerzone um die Mittagszeit.

Das Publikum ist gemischt. Sehr viele Geschäftsleute mit Anzug und Krawatte. Habe ja schon von dem Vorurteil gehört, daß die nach Feierabend mit den Kollegen in einem Izakaya (Kneipe) versacken. Scheint was dran zu sein. Ich sehe auch jugendliche in Schuluniform. Waren die noch nicht zu Hause? Oder ist dies die Bestätigung für ein weiteres Klischee: Japaner denken in Gruppen und Gruppenzugehörigkeiten. Tragen Schüler deshalb bis spät abends die Schuluniform damit sie der Gruppe „Schulklasse XY der Schule XY“ angehören? Sie richtig verstehen wird man das wohl nur als Japaner.

Randnotizen

  • Fazit: Der Tag war voll daneben. Zumindest am Fuji gewesen und „Jazz in Shinjuku“
  • Wenn Fuji, dann mit dem Bus ab Shinjuku. Alles andere ist Wahnsinn.
  • Haltestellen auf der Autobahn.

Asakusa / Yushima Tenmangu

Vor dem Frühstück schnell noch eine Runde outdoor Onsen. Heute geht es zurück nach Tokyo, die allerletzte Chance nutze ich. Beim Frühstück dann der Wetterbericht. Taifun 23 ist auf dem Weg. Er wird am 18. Japan erreichen. Ich kann nur hoffen, daß die Vorhersage falsch ist. Am 18. geht es zurück nach Deutschland. Was ich gar nicht gebrauchen kann, ist ein stornierter Flug. Außerdem ist der Tag vor dem Taifun Regen.

9:45 Uhr erfolgt der check-out.  Der Ryokanchef bringt mich noch zum Bahnhof. Der Zug rollt um 10:18 Uhr. Damit ist auch das vorletzte Kapitel (Narukoonsen) zu Ende. Es bleibt das Finale in Tokyo. In Furukawa dann der Wechsel in den Shinkansen. Dieses Mal bin ich echt froh einen Sitzplatz reserviert zu haben. Der Zug ist voll. Um 14:55 rollt der Zug in Ueno ein. Gemäß der Ansage ist dies sogar die Endstation.

Ich stehe wieder mitten im Chaos. Was für ein Kontrastprogramm nach der Ruhe und Abgeschiedenheit von Naruko. Die Shinkansengleise sind im Untergrund; im Erdgeschoß die normalen Bahnlinien. Einige Gleise sind im ersten Stock. Das muß die Yamanote sein. Dahin will ich nicht. Also den nächstbesten Ausgang. Eine Mehrspurige Straße und ein Fußgängerbrückensystem wie ein Spinnennetzt darüber gelegt. Und darüber der Expressway, die Autobahn… japp, das ist Toyko

Bleibt nur noch die Frage nach der Richtung. Autobahn und Yamanote laufen in Nord-Süd-Richtung, dann müßte rechts von mir der Ueno Park sein. Sicher bin ich mir aber nicht. Und mit dem Kamidana … ich nehe ein Taxi. Nach zwei Kurven sind wir in vertrauten Gebiet. Meine Baustelle. Aber wo will der Taxifahrer lang? Stimmt ja. Die Straße vor dem Hotel ist eine Einbahnstraße.

15:10 Uhr der check-in. Ich frage nach einem Shintoschrein für Kendo und verweise mit einer Handbewegung auf die Kiste mit dem Kamidana. Der Chef vom Ryokan greift zum Telefon: Kashima Jingu. Der liegt aber gut 2 Stunden außerhalb von Tokyo. Narita ist etwa auf der halben Strecke.

Yushima Tenmangu

Dann bittet er mich zu folgen. Wir verlassen das Hotel. Die Straße weiter rauf und dann rechts. Nach 200m steht ein Schrein. Der Yushima Tenmangu. Es ist ein Gelehrtenschrein. Viele Studenten der ToDai kommen hierher, um für die Aufnahmeprüfung zu beten. Das Holz des Schreins ist ungewöhnlich hell. Er kauft eine Tafel und schenkt sie mir. Bin sprachlos.

Dazu gibt es einen kleinen Crashkurs: In die mitte kommt eine, ich nenne es mal Allround-Tafel. Mit ihr ist der Schrein sozusagen online. In die rechte Tür kommt die Tafel des Ortschreines und in die linke die Tafel des Schreins, der die Funktion hat. Ich habe keinen Ortsschrein. das ist normalerweise der Schrein, der am dichtesten an der Wohnung liegt. Bevor ich jetzt eine Karte hole und den westlichsten Schrein Japans suche, gehe ich ganz pragmatisch an die Sache ran: Meine erste Übernachtung und meine letzte sind im Hotel Edoya. Von daher kann man schon den Yushima Tenmangu als den dichtesten Schrein bezeichnen. Zudem gefällt mir die Idee mit dem Gelehrtenschrein. Paßt zum Unidojo.

Auch bei der Kashima-Tafel hilft er mir. Zurück im Hotel schreibt er einen Brief auf Japanisch. Darin bittet er, ein Tafel per Post zu schicken. Ich brauche nur meine Adresse und etwa 2000yen dazu packen und es von Deutschland aus zu veschicken. Mit so viel Hilfe habe ich nicht gerechnet.

Asakusa

Es ist noch ein paar Stunden hell. Zeit für einen Zwischenstop wäre da gewesen. Hätte ich heute Nikko abhaken können? Dran vorbei gefahren bin ich. Jetzt ist es zu spät für solche Ideen. Aber Tokyo ist noch so unbekannt. Die Zeit kann man hier sehr gut verbringen.

Auf nach Asakusa. Es ist der größte in bekannteste Tempel in Tokyo. Eines dieser Fotos, die stellvertretend für Tokyo stehen (ähnlich wie der Tokyo Tower). Unterhalb des Ueno Parks führt die Asakusadori nach Osten. Man muß nur kurz vor dem Fluß abbiegen. Auf dem Weg dahin sehe ich viele kleine Läden, die buddhistische Ältare und Zubehör verkaufen. Ob die auch Shintosachen haben? Brauche gar nicht suchen. adfür gibt es einen eigenen Laden. Ich kaufe einen Spiegel. Der gehört zu dei Pflichtuntensilien.

Die Straße, die zum Tempel abzweigt, habe ich fast übersehen. Es ist eine „Ginza“. Souvenierläden mit Essen und Touristentrödel. Nach Kamakura, Nara und Kyoto ist dies ein Tempel wie jeder andere. Dennoch: Er steht mitten in Tokyo. Ein großes Mon. Hier hängt ein riesiger Lampion. Das Foto kennt jeder. Das Hauptgebäude ist riesig. Auf halben Weg dorthin ein Becken mit hunderten brennenden Räuchstäbchen. Zudem eine 5-stöckige Pagode. Und alles mitten in Tokyo.

Akihabara

Electronic Town. Der Name kommt nicht von ungefähr. Hier kann man alles kaufen was mit Strom läuft: HiFi, Computer, Kameras, Handys, einfach alles. Große Geschäfte wie Big Camera haben bis zu 8 Stockwerke nur mit Elektronikkram. In den Nebenstraßen geht es zu wie auf einem Basar. Kleine Händler. Einer verkauft nur Kabel. Ein kleiner Laden nur für CDs und DVDs. In den Katakomben unter der Yamanote muß man den Kopf einziehen, aber hier ist es noch krautiger. Ein Tapeziertisch mit tausenden LEDs und Transistoren. Daben ein Laden für Spionagesachen. Minikameras in Brillen, Funkscanner und so’n Kram. Meßgeräte. Oszilloskope. Der real gwordene Conrad-Katalog. Ein Mekka für Elektronikbastler. Ein Laden mit Röhren für HiFi-Verstärker. Einfach irre.

Akihabara ist mehr als Elektronik. Mange und Anime sind hier ebenfalls präsent. Mangaläden über 4 nein 5 Etagen. Auf der Straße stehen verkleidete Japenrinnenund machen Werbung vor Maiden-Cafes. Auch die gibt es in mehreren Extremen. In einigen bekommt man überteuerten Kaffee von Japerinnen in Dienstmädchen-Outfit serviert, die einen mit „my Master“ begrüßen. Man bucht keinen Cafe, sondern ein Dienstmädchen. Für Frauen gibt es Butler-Cafes. Gleiches Konzept.

Der Schritt in die Richtung Fetisch und BDSM ist ganz kurz. In anderen Cafes ist dieser Schritt sogar Teil des Konzeptes. Man muß aufpassen. Der Übergang ist fließend. (Wie auch bei den Kneipen.) Ich nehme ein paar Flyer mit. Jetzt erst mal weiter durch diesen Stadtteil.

Dazu die ganzen Menschen. Nicht jeder ist für die Elektronik hier. Akihabara ist ein wichter Knotenpunkt im Bahnnetz von Tokyo. Es ist laut, bunt. Jeder Laden hat laute Musik und Werbung laufen. Es gibt hier sogar Marktschreier, die mit Megaphon vor dem Laden auf Angebote hinweisen. In der Nebenstraße kann man Second Hand kaufen. Alles. Kameras. 286er. Alte Laptops und auch Mangas und Anime. Autoradios.

Ich muß hier raus. Es wird dunkel. Akihabara ist jetzt komplett erleuchtet. Überall blinkt und fackert es. Die Menschen. Der Lärm. Die Lichter. So muß ein LSD-Trip sein.

Entspannter und ruhiger ist da das Abendessen beim Italiener. Danach ein Streifzug durch Ueno und über die Baustelle. Hatte ich am Anfang der Reise das bunt erleuchtete Nachtleben von Uenno gelobt, verblaßt es ein wenig, wenn man in Akihabara war. Trotzdem. Seine  Wirkung verfehlt es nicht. Wie heißt es? Lichter der Großstadt?

Die Baustelle hat sich entwickelt. Sie ist größer geworden. Das Verkehrschaos hat sich gefühlt verdoppelt. Die Ordnung ist etwas gesunken, aber immer noch beachtlich. Das Verhältnis Arbeiter zu Sicherungsposten ist immer zu Gunsten der Sicherungsposten. Und ich habe immer noch keine Ahnung, was die hier bauen. Eines ist klar. Es ist unterirdisch. Bagger mit langen Greifarmen und Bohrer. Egal was es wird. Es wird groß.

Randnotiz:

  • Fazit: nichts besonderes, außer das Geschenk vom Chef des Hotel Edoya.
  • Für Fahrten in den Norden Japans ist Ueno der bessere Bahnhof. Nicht alle Zügen starten in Tokyo.
  • Soweit ich das verstehe, ist Ginza ein Sammelbegriff, für Einkaufsstraßen ohne  Autoverkehr; ähnlich unseren Fußgängerzonen. Viele Ginza sind überdacht.
  • Souvenierläden bestehen immer zu mehr als 50% als Lebensmitteln.

Jigokudani / Naruko Gorge

Das Wetter ist trüb. Es sieht nach Regen aus. Zeit für ein ausgiebiges, gemütliches Frühstück. Ich nehme den Bus um 10:45 zum Kankentusen, einem Gysier. Der Bus fährt ein Stück durch Naruko und dann auf die andere Seite des Flusses. Es geht den Berg hinauf an einem Stausee vorbei. Ich merke mir die Strecke so gut es geht. Aber ich glaube, zum zurücklaufen wird es zu weit.

Jigokudani

Am Gysier steige ich aus. Nach dem obligatorischen Eintritt geht es durch ein Wohnhaus (!) in den Garten. Hier ist der Gysier. Nach dem Schild ist das Wasser 100-120°C heißt, die Fontäne etwa 18m hoch und erscheint etwas alle 10 Minuten.

Mit einem grummeln kündigt sich das Spektakel an. Binnen einer Sekunde schießt der Gysier nach oben. Wirklich beeindruckend. Das ganze dauert gefühlt nicht einmal 2 Minuten. Ich warte auf die nächste Runde. Zu viel Filmmaterial darf ich aber auch nicht verbraten. Mit ist das Diamaterial bereits ausgegangen. Ich hab die Negativfilme gelanden, die als Notreserve mit im Koffer waren. Und ich habe noch eine Woche Japan nach.

Gleich neben dem Gysier liegt das Jigokudani, ein schmales kleines Tal.Übersetzt solle es kalte Hölle heißen. Der Weg führt einen Flußlauf entlang. Herrliches klares Bergwasser. Schwefelgeruch. Daher der Name. Ich wandere los. Zu meiner linken ist eine Felswand, rechts der Fluß. Ich sehe, wie Wasser aus dem Fels quillt. Überall gibt es kleine Quellen. Man ein Fels, mal blubbt das Wasser aus dem Boden.

Wow. Das Wasser sit kochend heiß. Ich habe den Fehler gemacht und das Quellwasser direkt am Fels angefaßt. Heiß. Selbst der Fels ist warm. Ich dachte, das kommt von der Sonne. Ich habe mich wohl geirrt. Das hier sind heiße Quellen. Wasser, das in Shibu direkt in die Badehäuser gelenkt wurde. Bei genauerem Hinschauen dampfen die kleinen Pfützen; eine brodelt sogar. Ich dachte, daß wäre ein Effekt der Quelle. Nein. Es ist die Temperatur.

Der Weg führt etwas 500m am Fluß entlang, wechselt an einem Holzweg die Flußseite. Überall quellen, manche haben sogar eine kleine Fontäne. Dann ist der befestige Weg zu Ende. Ich sehe einen eta 3m hohen Wasserfall. Der Fluß hat seine Quelle also irgendwo weiter oben. Ob ich da rauf komme? Immerhin gibt es auf der Karte einen gestrichelten Weg. Die meinen doch nicht dieses Nichts von Trampelpfad. Ich taste mich vorsichtig weiter. Es ist rutschig. Ich gehe weiter.

Ich bin alleine, habe meine Ruhe. Alle Japaner habe an der Holzbrücke umgedreht, wo der Weg zu Ende war. Jetzt ist auch der Trampelpfad zu Ende. 50m bevor die Felswand beginnt. Ich sehe Reste von einem Pfad. Rauf geht vielleicht noch, aber nachher wieder runter; ohne Ausrüstung zu riskant. Ich drehe um, nachdem ich die Ruhe aufgesaugt habe.

An der Bushaltestelle erwarten mich 30 Minuten Wartezeit. In der Zeit schaffe ich mindestens 2 Stationen. Das spart Geld. Wie in der Tokyo-U-Bahn steigt der Fahrpreis mit jeder Station. Leider habe ich keine Uhr und wo  ist die nächste Haltestelle. Lieber warten. Eine echte Geduldsprobe.

Zurück in Naruko geht es nach einer Mittagspause um 14:30 Uh mit einem anderen Bus in Richtung Naruko Schlucht. Sie ist etwa 2,5km lang. Also sollte es nur eine Stunde dauern.

Naruko Gorge

Ein Treppe führt hinab in die Schlucht. Endlich mal Stufen abwärts. Wie tief mag die Schlucht sein? 60m, 70m? Die Felswand ist teils steil, teils schräg, so daß Bäumen wachsen können. Alle paar Meter sieht die Schlucht anders aus. Unten in der Schlucht plätschert der Fluß. Er hat diese Landschaft über Jahrtausende geformt. Harmlos sieht er aus. Weiter hinten nimmt der Fluß Fahrt auf; Stromschnellen mit Wirbeln und Strudeln. Was für eine Dynamik, die nur eine zig Meter später wieder in einen ruhigen Fluß wechselt.

Wie mag das erst aussehen, wenn der Herbst hier die Blätter verfärbt. Es könnte ein Postkartenmotiv werden, daß Matsushima in den Schatten stellt. Kiefern sind hat immergrün. Die Laubbäume hier könnten die Schlucht in ein Farbenmeer verwandeln. Hier und jetzt hat die Verfärbung gerade erst begonnen. Ich bin zwei Wochen zu früh. Was aber an dem langen Sommer hier in Japan liegt. Der hat mir die beiden Taifuns beschert und verweigert mir nun die volle Herbstpracht. Ein Vorteil sind die höheren Temperaturen. Ich will also nicht meckern.

Das Wasser ist glasklar und eiskalt. Hier und da rinnt Wasser aus dem Fels hinab. Es gibt auch zwei nette kleine Wasserfälle. Ich habe die Wanderzeit günstig gewählt. Ich bin alleine. Nur Weg selbst erinnert an Zivilistation. Wieder habe ich meine Ruhe. Ein paar Mal wechselt der Weg die Uferseite. Auf halber Strecke gibt es ein kleines Klohäuschen. Aber keinen Mülleimer. Meine Theorie freilebender Mülleimer scheint sich zu bestätigen.

Kurz vor dem Ende Schlucht steht eine Bretterbude, die wie ganz Naruko schon bessere Tage gesehen hat. Betreiben wird die Hütte von einem japanischen Ehepaar samt Hund. Lohnt sich das, hier einen Snackshop zu betreiben? Ich kaufe ein Bier. Der Mann murmelt irgendwas mit „american“. Dem Tonfall nach war es nicht nett. Fast reflexartig erwähne ich „doitsu jin“. Er zuckt zusammen und entschuldigt sich (zumindest der Gesten nach). Da ist er wieder der Deutschland-Bonus.

Ein Treppe, die Schlucht ist zu Ende. Um 17:10 Uhr bin ich wieder am Ryokan. Zeigt für Onsen. Es ist noch hell. Das Rotenburo sieht jetzt ganz anders aus. Der Garten ist kleiner als gestern abend vermutet. Der Bambussichtgschutz ist wirklich kurz vor den Gleisen. Baden bei Tageslicht ist bei weitem nicht so schön als wie bei Nacht. Also kurze Pause, dann wieder das riesige Abendessen.

Dann kurz in das Indoor-Onsen. Auch hier hier liegt der Duft von Zedernholz in der Luft. Es ist aber bei weitem nicht so toll wie das Rotenburo. Mit Sake bewaffnet geht es zurück zum Rotenburo. Ich genehmige extrem entspannede 30 Minuten. Dann eine Pause und etwas später noch einmal 30 Minuten. An der freien Luft vertrage ich die Wassertemperatur recht gut. Ich sitze einfach da. Genieße ein paar Schluck Sake und lasse den Tag und den gesamten Urlaub Revue passieren.

Randnotiz:

  • Fazit: Gysier, Jigokudani und die Schlucht, dazu das Rotenburo. In der Gesamtwertung rutscht der Tag als Ganzen mindestens vor auf Platz 3.
  • Es gibt keine frei lebenden Mülleimer in Japan.
  • Doitsujin ist immer eine gute Idee in Japan. Der Detschland-Bonus.
  • Die Stimmung kann man im Japanischen an Tonfall erkennen. Auch ohne Wörterbuch.
  • 42 Grad Wasser und 42 Grad Sake sollte man nicht kombinieren; egal wie sinnvoll das auf den ersten Blick erscheint.

Matsushima / Dinner

Matsushima steht auf dem Plan. Der Ryokan-Chef warnt mich aber vor der langen Zugfahrt. Egal. Um 9:20 Uhr bin ich am Bahnhof. Der nächste Zug fährt in einer Stunde. Das fängt ja gut an. Zeit das Dorf Naruko zu erkunden. Es wirkt heruntergekommen. So mancher Betonbau erinnert mich an die DDR-Platten. Von außen schmutzig. Alte Gardinen, wenn überhaupt. Alles sieht aus, als hätte Naruko seine besten Tage hinter sich. Meine Meinung zum Äußeren des letzten Ryokans kann hier auf das ganze Dorf angewendet werden.

Dann der Zug um 10:18 Uhr. Es geht an Furukawa vorbei nach Kogota. Die fahrt dauer 1 Stunde. Ein Bahnhof mit mehreren Gleisen im Nirgendwo. Keine Häuser, keine Stadt. Nur der Bahnhof inmitten von Reisefeldern. Nicht einmal ein Nudelshop ist hier auf dem Bahnsteig. Irgendwie hatte ich mich an die Anwesenheit dieser kleine Hütten gewöhnt. 30 Minuten warten. Ich komme mir so verloren vor. Ich stehe ganz alleine hier. Was istdas für ein Bahnhof. Kurz vor 12 Uhr geht es weiter zum Bahnhof Matsushima. (Anmerkung: Matsushima hat zwei Bahnhöfe, die von verschiedenen Linien angesteuert werden. Die Züge aus Sendai halten in Matsushima-kaigen.)

Der Weg ins Stadtzentrum führt mich auf eine kleine Anhöhe. Von hier habe ich eine gute Sicht auf die Bucht. Es ist kurz nach 13 Uhr. Das Wetter ist sonnig und heiß. Die Fernsicht ist aber nicht besonders. Die Luftfeuchtigkeit ist hoch. Nach den „nur“ 25 Grad in Yudanaka kommt man richtig ins Schwitzen. Brachial hier in der Mittagssonne.

Hinab zum Zuigan-Tempel. 700yen Eintritt. Bin ich Krösus? Das verkneife ich mir. Vor dem Tempel ist eine Kryptomeren-Allee (auch Sicheltanne oder japanische Zeder). Hohe kerzengrade Bäume. Man kommt sich klein vor. Schatten. Hier läßt es sich aushalten. Links von mir eine Felswand mit Meditationshöhlen. Wer kommt auf solche Ideen?

Nächter Stop: Entsu-in. Nur 300yen. Gleich zu meiner linken gibt es einen japanischen Garten. Grüne Flächen. Wasserläufe sind durch weißen Sand dargestellt. Dazu eine kleine Brücke über das Wasser. Der Garten ist klein. Das Tempelareal dagegen weitläufig. Das Ende wird durch eine Anhöhe aus Felsen und einen Wald markiert. Wenig spektaulär. Aber der Steingarten hat echt was.

Zum Kai. In 50 Minuten fährt das nächste Ausflugsboot. Genug Zeit für O-Shima; einer kleine Insel zur Rechten. Es gibt hier ebenfalls so etwas wie Meditationshöhlen. Nur viel kleiner. Es sind eher kleine Nischen. Ein paar kleine Buddhastatuen stehen hier. Sonst wirkt es wie ein kleiner Fels im Wasser auf dem Bäume wachsen. Auf der anderen Seite des Anlegers sehe ich eine Art Pavillion, der ebenfalls auf einer Felsinsel steht. Sie ist viel kleiner als O-shima. Über insgesamt drei kleine Brücken gelangt man dorthin. Der Pavillion entpuppt sich als buddhistischer Tempel, der Godaido.

Das Ausflugsboot legt ab. Begleitet von hunderten Möwen. Die Japaner füttern die Viecher. Es gibt sogar einen Automaten auf dem Schiff, wo man Futter kaufen kann. Die Möwen, in Lübeck schon frech, haben sich darauf spezialisiert. Sie sind im Parallelflug mit dem Schiff und kommen auf Armläge heran. Für Fotos natürlich ideal.

So wie es aussieht bin ich der einzige, der sich für die Inseln interessiert, die der Gegend ihren Namen geben und wegen der Matsushima (Kiefernbucht) eine der berühmten Landschaften Japans ist. Die Inseln sind Felsen, die aus dem Wasser ragen. Steile Felsen. So wie Helgoland. Auf wirklich jeder Felsinsel wachsen Kiefern. Selbst auf dem kleinsten Eiland, das ich sehe steht ein Kiefer. Einige Felsen sind unterhöhlt, haben nur einen nur eine schmale Basis auf Meereshöhe. Andere Inseln haben Löcher. Jede Insel ist anderes. Eine beeindruckende Landschaft. Es soll über 230 solche Inseln hier geben. Sie gehen bis fast zum Horizont.

Und was machen die Japaner? Sie füttern Möwen. Es ist unöglich ein Foto ohne Möwe zu machen. Argh. Nach der Bootsfahrt ein verspätetes Mittag.Die lokale Speizialität verkneife ich mir. Rinderzunge, wenn ich das richtig lese. Matsushima hat sogar eine eigene Brauerei. Es gibt verschiedene Sorten. Hier die NICHT übersetzten Namen: Helles, Dunkles, Weizen, Bock … kein Fehler. Alle Namen sind in Deutsch.

Als Souvenier ergattere ich noch Masu-Becher. Kleine Holzkisten, aus denen traditionell Sake getrunken wird. Füllmenge sind 180ml. Dann geht es zurück zum Bahnhof. Ich hätte zwar noch eine Stunde bis zur magischen Uhrzeit, aber ich will zum Dinner zurück in Naruko sein. Nach der langen Fahrt hierher, muß ich auch 3 Stunden für die Rückfahrt einplanen.

Im Ryokan bitte ich mich früh zu wecken. Morgen will ich nach Onagawa und Kinkazen. Der Herr am Tresen wühlt daraufhin in seinen Unterlagen. Fazit: Mit der Bahn an einem Tag nicht möglich. Ups. Das hatte ich jetzt nicht eingeplant. (Die Fahrzeit nach Matsushima auch nicht). Er rät mir, morgen die Gegend in Naruko zu erwandern. Er hat recht. Wenn ich schon einmal hier bin, sollte ich einen Tag hier verbringen. Der Plan wird geändert. Es gibt hier eine Schlucht, durch die man wandern kann und einen Gysier. Das ist doch mal ein Alternativprogramm.

Dinner

Es folgt das Dinner. Ich habe es gebucht. Es soll kommen. Es wird aufs Zimmer gebracht. Was da aber anrollt war so nicht erwartet. Ein riesiges Tablett mit Tellern. Sashimi, Fisch, Tempura, Gemüse, Reise, Misosuppe, Sukiyaki, … Meine Erinnerungen an japanisches Frühstück werden wach. Na dann mal los. Es ist unglaublich lecker. Ein paar Sachen sind nicht so ganz mein Fall. Das macht aber nichts. Die einzelnen Portionen sind nicht groß, aber die Menge macht es; der Reis sowieso. Ich bin pappsatt und habe nur 2/3 geschafft.

Anschließend empfiehlt er mir das Outdoor-Onsen (Rotenburo, frei übersetzt „Bad unter freiem Himmel). Nach der 9-Onsen-Tour bin ich neugierig. Mit Yukata, das habe ich ja schon gelernt, geht es auf Holzsandalen zum Rotenburo. Ich konnte gestern in diesen Dingern nicht laufen und heute auch nicht.

Das Rotenburo leigt in 3F. Das Haus ist am Hang gebaut. Hier im zweiten Stock ist der Garten hinter dem Haus. Man verläßt fas Haus. In etwas 20m gibt es ein Häuschen. Hier kann man sich umziehen. Im Inneren duftet das Holz wie in einer Saune. Zedernholz hat einen sehr hohen Gehält an ätherischen Ölen. Herrlich dieser Duft.

Hinter einer Schiebetür liegt das Becken. 2x2m groß mitten im Freien. Das Wasser hat angenehme 42 Grad. Die Luft hat immer noch so um die 20 Grad. Das Wasser dampft.Das Becken ist aus Natursteinen gemauert. Wenn man sich hinzsetzt geht eine das Wasser bis zum Hals. Eine ideale Tiefe. Setzt man sich auf Stufe, geht das Wasser bis zur Brust.

Die einzige Laterne, die die Szenerie erhellt ist damit im leichten Nebel. Das Bad ist klein, aber ich bin alleine. Es ist genug Platz da. Hinter dem Becken ein kleiner Garten und ein Zaun als Sichtschutz.

Ein Zug rauscht vorbei. Wow. Das kam unverhofft. Gleich hinter dem Zaun müssen die Gleise sein. Ich genieße das Wasser. Wenn es etwas zu heiß wird, kühle ich mich in der Nachtluft ab. Hier halte ich es wesentlich länger aus als indoor. Fehlt nur noch Sake. Der Plan für morgen Abend.

out door hot spring

Randnotizen:

  • Fazit: Die Anreise war suboptimal. 7 Stunden Bahn für 3 Stunden Matsushima. Viel zu kurz. Aber immerhin habe ich einen Punkt von meiner Liste abgehakt. Auch die zweite Landschaft Japans wird ihrem Namen gerecht. Matsushima ist echt schon. Der Tag landet dennoch im unteren Mittelfeld.
  • Unterschätze niemals die Fahrzeiten mit Zügen.
  • Deutschland scheint in Sachen Bier das Maß der Dinge zu sein.