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Die erste Reise; ohne Vorwissen und Spachkenntnise. Einfach los. Die beste Chance für einen Kulturschock. Als Basis für die Planung dient (nein nicht das Internet, das war 2004 noch nicht so weit) der Marco Polo Reiseführer: Tokyo, Kyoto, Osaka, Kamakura, Nikko, Hiroshima, Ise, Himeji, Okayama, Nagoya, Yokohama, Nara, Ikaruga, Miyajima, Nagano, Matsumoto, Naruko, Yudanaka, Kurashiki, Iiwakuni.

Kyoto / die großen Tempel

Das Fürhstück ist japanisch. Abgesehen davon, daß Fisch am Morgen überhaupt nicht mein Ding ist, war es recht lecker. Der heutige Tage ist voll gepackt mit knapp 12 Stops. Es gilt also, keine Zeit zu verlieren. Da es nur 3 U-Bahnen gibt und ich keine Ahnung von dem Liniennetz der Busse habe, werde ich alles zu Fuß erlaufen. Schlimmer als Tokyo kann es nicht werden.

Als allererstes geht es zum Nishi Hogan-ji. Es ist einer der beiden riesigen Tempel hier in Kyoto. Er liegt fast am Bahnhof. Dort angekommen muß ich feststellen, daß die Haupthalle komplett eingerüstet ist. In Japan sind Gerüste anders. Es gibt eigentlich immer einen kompletten Sichtschutz. Die ganze Baustelle ist formlich eingepackt. In diesem Fall haben die eine riesige Halle um das Tempelgebäude gebaut. Komplett mit Dach und allem. Die Hauthalle ist erst 2005 wieder zugänglich.

Vorbei am Kyoto Tower vor dem Bahnhof geht es zum östlichen Tempel. Der Tower ist wieder mal ein Fernsehturm, allerdings nicht vom Modell Eiffelturm. Es ist aus Beton gebaut, hat aber eine Aussichtsplattform; eine Konstante bezüglich Funktürme in Japan.

Die Haupthalle des Higashi Hogan-ji ist auch eingerüstet. Ich habe aber auch gar kein Glück. Aber die Halle kommt mir bekannt vor. Hier bin ich gestern Abend dran vorbei gelaufen. Hatte gar nicht realisiert, daß es der Tempel ist. Zumindest habe ich eine Menge Filmmaterial gespart und bin vor meinem Zeitplan.

Weiter geht es zum Shosei-en, einen japanischen Garten. Er ist sehr schon ruhig. Kyoto wirkt bisher bei weitem nicht so hektisch wie Tokyo, dennoch hebt sich der Garten wohltuend von der „Welt da draußen“ ab. Ich bin erstaunt wie viele verschiedene Moose es hier gibt. Der Park ist von einem Teich dominiert. Verschiedene Wege und etliche Brücken bieten tolle Perspektiven. Mit der Zeit im Nacken kommt aber nicht wirklich Entspannung auf.

Weiter geht es zum nächsten Tempel, dem Sanjusangen-do. Die Halle ist uralt und irre lang. Im inneren steht eine große Kannon-Statue. Links und rechts daneben 1000 kleine. Es ist einfach imposant. Im inneren der Halle ist es dunkel; alles wirkt etwas angestaubt. Aber die Statuen ziehen einen in den Bann.

Gleich daneben ist der Chishaku-in. Ebenfalls ein Tempel. Der Kontrast könnte aber nicht unterschiedlicher sein. Am Sanjusan waren es dunkle Holzer und weiße Wände; alles sehr zurückhaltend. Der Chishaku-in ist bunt. Draußen  hängen bunte große Fahnen von der Dachkante der Haupthalle. Das Holz ist hell und mit Gold verziert. Was für ein Postkartenmotiv. Der Tempelgarten ist von Sen no Rikyu angelegt, einem der wichtigen Teemeister. Ich kenne den Namen aus den Büchern „Ritual der Stille“ und „Chado – Der Teeweg“. Wer sich etwas mit der Thematik auskennt wird nicht enttäuscht. Der Garten strahlt die Ruhe des Zen aus. Der richtige Zeitpunkt für eine kurze Pause. Die brauche ich jetzt und der Garten lädt förmlich dazu ein.

Es ist schon spät. Daher gibt es nur ein kurzes Hallo am Myoho und Nishi-Otane Tempel. Rechts den Hügel hinauf am Hokoku-ryo soll das Grab von Hideyoshi sein. Eigentlich sollte hier auch eine Pagode stehen. Aber wo ist sie? Nur logisch, daß es eine Treppe gibt. 313 Stufen. Das geht echt in die Beine. Und dann? Noch eine Treppe. 176 weitere Stufen. Oben angekommen gibt es außer ein paar Steinen nicht viel zu sehen. Die Aussicht ist durch Bäume blockiert. OK, ich war hier. Weiter im Text. 489 Stufen abwärts. Das geht noch mal in die Beine. Wenn ich jetzt wegrutsche, schaffe ich die Strecke in unter 10 Sekunden. Sehr ungesund.

Nächstes Ziel ist der Kiyomizu-dera. [Nachtrag: An dieser Stelle mache ich den bescheuersten Fehler überhaupt. Leider merke ich das erst bei der Auswertung. Der Kiyomizu ist der Tempel mit der Terasse auf dem Stützpfeilern. Ein Foto ist fast in jedem Reiseführer zu finden. Ich Idiot besichtige die Halle und die Terasse nicht und begnüge mich mit der Außenansicht. Was für ein Fehler].

Ich befürchte meine Karte ist nicht ganz korrekt. Hier fehlt eine Pagode. Am Grabmal fehlt ein Schrein. [Nachtrag: Und ich habe das mit dem Kiymizu nicht realisiert]. Zurück zur Hauptstraße und dann weiter nach Norden. Der Park und der Chion-ji sollten leicht zu finden sein. Zur Abwechselung geht es mal bergab.

Der Chion-in begrüßt einen mit einem großen Mon. Auch die hallen dahinter können sich sehen lassen. Ich spüre aber, daß mein Bedarf an Tempel so langsam gesättigt ist. Also direkt weiter zum Heian-jingu. Das Torii ist schon von weitem zu sehen. Es steht mitten im Stadtgebiet, überspannt die Straße. Erst zwei Kreuzungen weiter beginnt das Schreingelände. Das Torii fällt richtig auf. Es glüht förmlich orange-rot in der Sonne.

Die Schreingebäude sind in der gleichen Farbe gestrichen. Dazu die weißen Wände. Was für ein Bau. Nachdem ich einen Eintritt gezahlt habe, betrete ich den Garten hinter dem Schreinbegäude. Wow. Ein japapischer Garten. Ich laufe einmal kreuz und quer. Ich würde hier gerne mehr Zeit verbringen, aber einen Punkt habe ich noch auf der Liste.

Auf geht es weiter nach Norden. Hier soll auch ein Bus fahren. Aber die Haltestelle suchen und dann warten. Nein. Es ist schon nach 16 Uhr. Ich habe keine Zeit mehr. Also volle Kraft voraus. Die Strecke ist weiter als vermutet. Ich bin erst um 16:30 Uhr am Eingang. Ich darf aber noch rein. Egentlich ist Schluß. Ich verspreche, schnell zu sein.

Ach ja, ich stehe am Eingang zum Ginkaku-ji, der silberne Pavillion. Schon am Eingang fällt mir dieser weiße grobe Kies auf, in den ein Muster geharkt ist. Ein Weg führt hinter die Gebäude. Der Blick fällt auf eine Sandfläche. Ich vermeide den Begriff Steingarten, da die Steine fehlen. Abgesehen davon ist es wie im Japan-Handbuch: ein große Fläche mit Mustern. Statt einem Stein steht hier ein Kegelstumpf aus weißem Kies. Es ist erstaulich wie ästhetisch Sand sein kein.

Und da steht er dann, der silberne Pavillion. Ich habe das Gebäude gar nicht ernst genommen. Nix Silber. Ein quadratischer Bau aus dunklem Holz; die Wände teilweise aus Holz, teilweise weiß verputzt. Mit den geschwungenen Dächern und der Fensterform im zweiten Stock wirkt es irgendwie chinesisch. Gleich ist 17 uhr und Feierabend, also schnell nolch eine Runde um den Teich herum. Auf der Rückseite des Teiches geht es durch eine Waldgebiet. Gerne hätte ich mehr Zeit.

Jetzt erst einmal etwas Essen. Im Halbdunkel versuche ich den Yoshida-Schrein im Yoshiyama-Park zu finden. Ich finde den Berg. Verlaufen kann man sich nicht. Der Berg ist mitten in der Stadt. Dennoch finde ich den Eingang nicht. Es ist dunkel, keine Lampen und wieder Stufen. Ich habe keine Lust mehr. Feierabend für heute. An der Kyodai vorbei geht es zum Kanal/Fluß. Am Wasser geht es entlang bis zu der Ginza, der Einkaufsstraße. Von hier hangel ich mich zurück zum Ryokan.

Erst einmal duschen. Ich will die Diskussion von gestern vermeiden. Gäste duschen zuerst. Nach meinem Bad treffe ich im Flur auf einen Ami. Auch er will noch was Essen. Wir tun uns zusammen. Wir suchen einen Italiener. Den, den er ansteuern wollte, finden wir nicht, also nehmen wir den Nächstenbesten den wir finden. Die Portionen sind kleiner als in Deutschland. Ich werde gerade so satt. Lecker ist es allemal.

Randnotizen

  • In Kyoto kann man die Himmelsrichtungen lernen. Die Stadt ist geteilt in Kita und Minami. Es gibt zwei große Tempel. Nishi und Higashi.
  • Es gibt keine Überlandleitungen in Kyoto. Weder Strom noch Telefon. Keine Einzige.
  • Ich habe zu viele Stops in diesem Tag gepackt.
  • Kyoto ist mindestens 3 Tage. Ohne U-Bahnnetz ist es weitläufig.
  • Ich mag Moos. Flauschig grün und vielfältiger als Rasen.
  • Ich muß beim nächsten Urlaub ein paar Punkte nachholen.
  • Ach ja: HALBZEIT

Okayama / Seto-Ohashi

Heute ist schon die Abreise aus Hiroshima. In Restrospektive wäre ein Hotel auf Miyajima die bessere Option gewesen. Das nächste Mal. Ich verlasse die Stadt aber nicht ohne vorher beim Schrein vorbeizuschauen. Die Buden stehen noch und sind geöffnet. Es sind kleine Zeltbauten, diein ihrer Form an Bushäuschen erinnern. Der Tisch ist ein Tapeziertisch. So professionelle Buden wie in Deutschland sucht man vergebens. Dadurch wird etwas familiärer und auch etwas provisorisch. Ich kenne die Buden ja schon aus Mozu. Ich bleibe bei meinem Urteil: Es wirkt einfacher und schlichter und dadurch erfrischend anders. Nebenan ein Flohmarkt.

Direkt am Schrein steht eine Bühne. Auftritt hat gerade eine optisch und musikalisch durchgekrachte Girliegruppe in Schulmädchenuniform.  So etwas kann es nur in Japan geben. Zielgruppe scheinen Mädchen unter 14 Jahre zu sein. ich hoffe es zumindest. Die Alternative wären Mit-40er mit einem Lolita-Uniform-Fetisch (was in Japan eine nicht ganz abwegige These wäre). Yeiks.

Aber was danach kommt, ist noch schräger. Oh ja, das ist wirklich möglich. Ich weiß nicht was das ist, aber es wirkt der fleischgewordene Anime. 3 Mädels in bunten Kostümen und noch schrillerer Stimme. Wenn man durch den Sucher der Kamera auf die Bühne zoomt ist das wie ein LSD-Trip. Ich halte Abstand. Die Melodie erinnert an ein Anime-Intro. Ich vermute es ist auch eines. Zurück zum Hotel, bevor meine Ohren bluten. Check-out.

Okayama

Mit dem Shinkansen, pünktlich wie immer, geht es an Shinkurashiki vorbei eine Station weiter nach Okayama. Die Tasche verschwindet in einem Coin Locker. Bis zum Garten und der Burg sind es 1,5km. Wieder einmal kurz genug für einen Fußmarsch.

Erster Stop ist die Burg Okayama-jo. Die erste Burg in schwarz. Nagoya, Oosaka und Himeji waren weiß. Diese hier ist mit schwarzem Holz verkleidet. Sie hat auch den Beinamen Krähenburg. Ein schöner Konstrast sind die weißen und goldenen Verzierungen. Auf eine Besichtigung verzichte ich. Bei einem Eintrittspreis von 800yen bin ich plötzlich geizig. Die Burg ist auch die kleinste, die ich bisher gesehen habe. Unterhalb der Burg auf der anderen Seite des Flusses ist ein japanischer Garten.

Der Garten ist der Koraku-en. Einer der drei berühmtesten Gärten in Japans. Eine Brücke führt direkt von der Burg rüber. Der Garten ist schon angelegt. Er hat sehr große Rasenflächen. Im Vergleich mit Hiroshima wirkt er dadurch sehr westlich. Aber auch japanische Elemente sind vertreten. Es gibt einen großen Teich mit bewachsenen Inseln und auch eine Berglandschaft. Zudem gibt es einen Teehütte und einen Pavillion. Im Park genieße ich auch meine zweites Frühstück.

Seto O-Hashi

Auf dem Weg zurück zum Bahnhof kommt mir eine Schnappsidee: Kaffee und Kuchen auf Shikoku. Von Okayama aus fahren Züge über die Seto-O-Hashi nach Shikoku. Die Brücke ist irre lang. 13,1km. Sie besteht aus 2 Hängebrücken und 2 Schrägseilbrücken. Dazwischen gibt es Stahlfachwerkbrücken und Viadukte. Die Brücke geht nicht in einem Schwung rüber, sondern macht ein Inselkopping. Die Brücke hat zwei Ebenen, wobei die Bahngleise in der unteren liegen. Es ist also ein 13km lange Fahrt durch Stahlträger  zu allen Seiten. Die Seto-Brücke ist zudem die weltlängste Brücke mit 2 Fahrebenen. Diesen Rekord will ich mitnehmen.

Der Local fährt mit knapp 60km/h. Die ganze Reise dauert also eine Viertelstunde. Unter dem Zug die Inlandsee, um den Zug herum rauschen die Stahlträger vorbei. Dann kommt Shikoku in Sichtweite. Allerdings ist das Erste, was man sieht ein Industriehafen. Überall Gastanks. Jede Menge Schiffsverkehr unterhalb der Brücke.

Schankt die Brücke oder bin ich das? Der Zug schwankt in einem Tempo, das nicht zum Zug paßt. Es muß die Brücke sein. Hoffe ich zumindest. Ein Erdbeben wäre jetzt echt blöd.

An der ersten Station in Shikoku steige ich aus und versuche in Richtung Wasser zu kommen. Ohne Karte von dieser Region verliere ich die Orientierung. Zurück zum Bahnhof. Wir streichen das Foto von der Brücke und gehen gleich zum Kaffee über. Um 16:20 geht es zurück nach Okayama und dann mit dem Shinkansen weiter. Wie schon in Hiroshima stelle ich mich einfach auf den Bahnsteig und warte. Man braucht nicht unbedingt ein Ticket, wenn man den JRP hat. Das Ticket ist für einen Sitzplatz. Es gibt aber immer mehrere Waggons die als „unreserved“ markiert sind. Hier gilt: Wer zuerst einsteigt, sitzt. Bis jetzt klappt das ganz gut.

Ich erreiche Kyoto in Dunkelheit. Ich habe einiges über den Bahnhof gelesen. Aber die zentrale Bereich ist wirklich riesig. Hoch, um genauer zu sein. Mein Herren. Jetzt aber zum Ryokan. Ich habe die Strecke unterschätzt. Meine Herren. Die Karte hat keinen Maßstab zum Ryokan. Böser Schnitzer. Die letzte U-Bahnstation war Go-jo, also 5. Das Ryokan hat irgendetwas mit 3. Ein paar Straßen sind es noch. Doch die U-Bahn? Ich sehe die Preise. Nein Danke. Nicht für zwei Stationen. Weiter. Alle paar Meter sattel ich den schwere Tasche um. Shin-jo. Oh Mann. Aber wir kommen dichter. Weiter und immer weiter. Jetzt stehe ich an der großen Querstraße. Zu weit. Verdammt. Also zurück und in die Seitenstraßen. Das hier ist ein typisches Innenstadt-Wohngebiet. Keine lesbaren Buchstaben mehr. Auch die Straßenschilder sind in Kanji. Es hilft nichts. Ich muß mich durchfragen. Noch ein paar Kurven, dann stehe ich vor der Tür. Es ist ein Wohnhaus wie jedes andere hier auch. Nur ein kleines Schild weist es als Ryokan aus. In England fällt das sicherlich unter B&B.

Ich öffne die Tür und sage „sumimasen“. Das ist nie verkehrt. Der Ryokanbetreiber kommt zur Haustür in Begleitung seiner Frau. Beide begrüßen mich durch eine Verbeugung auf dem Fußboden. Auweia. Etikette. Keine Ahnung wie ich darauf reagieren soll. Zum Glück federn die beiden gleich wieder in die Vertikale und bitten mich herein. Wow. Wirklich japanisch. Bei dem Ryokan habe ich ein goldenes Händchen gehabt. Mein Zimmer ist im ersten Stock. ich vermute es war früher ein Kinderzimmer. Die Decke ist nicht sehr hoch (zumindest für meine 180cm etwas zu flach). Ein einfacher Raum mit Tatami. Es gefällt mir auf Anhieb. Sofort kommt mir der Gedanke: So könnte mein Zimmer aussehen, wenn ich in Japan aufgewachsen wäre. Ein kleiner Fernseher, ein flacher Tisch und der Futon zum Schlafen. Was will man mehr.

Mein Plan für den Abend war: erst essen, dann schön ins Bad. Der Ryokan-Betrieber macht mir jedoch einen Strich durch die Rechnung. Er besteht darauf, daß Gäste zuerst das Bad benutzen. An dieser Stelle ist zu erwähnen, daß man in Japan erst duscht und dann für ein paar Minuten zur Entspannug in die Badewanne steigt. Das Wasser hat etwa 43 Grad. Das Wasser in der Badewanne wird dabei von allen Gästen benutzt. Man hat ja vorher ausgiebig geduscht. Die Betreiber des Ryokan baden dann zuletzt. Gäste habe das Anrecht auf frischen Wasser. Mir wäre es egal, zumal ich Hunger habe. Aber hier scheint es im das Prinzip zu gehen, das Prinzip Gastfreundschaft in Japan. Und da das Ehepaar den Charme von Großeltern ausstrahlen, hat man auch nicht wirklich Argumente zur Hand. Die Baderegeln gibt es als laminierte Karte mit ins Bad. Ist eigentlich ganz einfach:

  • Erst duschen und Haare waschen, dann in die Badewanne.
  • Keine Seife in der Badewanne; auch keine Reste am Körper.
  • Das Wasser nach dem Bad nicht ablassen.
  • Keine Handtücher oder Waschlappen in der Badewanne.
  • Alles ordentlich hinterlassen.

Ist eigentlich ganz simpel. Aber mir werden die Regeln trotzdem erklärt und die besagtge Karte mitgegeben. Entweder glauben Japaner, daß die Regeln kompliziert sind oder sie haben mit Ausländern nicht immer die optimale Erfahrung gemacht.

Für das Abendessen zieht es mich wieder 100m nordwärts auf die Ginza. So wie es aussieht zieht es mich nach dem Motte-Licht-Prinzip immer wieder in diese Gegenden. Leider ist es schon 8:30 Uhr und viele Geschäfte haben schon geschlossen. Daher gibt es einen Stop bei Mäcces. Danach noch eine zweite Runde. Plötzlich sehe ich zwischen den ganzen Kaufhäusern Lampions. Hier steht wirklich ein Tempel, mitten auf der Shopping-Straße.

Randnotiz:

  • Der Standardpreis für ein großes Coin-Locker-Fach scheint 600yen zu sein.
  • Okayama und Kurashiki sind gut für einen Stop beim Hotelwechsel.
    Beide Orte hintereinander sind machbar, aber erfordern eine gute Planung.
  • Fazit: Tag ok. Soll erfüllt.

Kurashiki / I Robot

Heute ist ein Reservetag. Da ich Hiroshima und Miyajima eingentlich komplett durch habe bleibt die Farge was tun. In meiner Liste findet sich der Ort Kurashiki. Mit Shinkansen und umsteigen sind es etwa 90 Minuten fahrt. Zuvor wird erst einmal ausgiebig gefrühstückt. Ich hatte bisher nicht erwähnt, daß das Restaurant des Hotels den Namen „Berge“ hat. Auch sonst gibt es sehr viel Deutsches. An der Wand hängen Zitate und Gedichte von Geothe und Schiller.

In Kurashiki sind es etwa 1km von Bahnhof zur Altstadt. Es fährt auch ein Bus, aber die Strecke kann man nun wirklich laufen. Ich biege nach links ab. Bis hierher war die Stadt wie jede andere Stadt in Japan auch. Das ändert sich mit der Kurve. Hier quasi in zweiter Reihe stehen alte japanische Häuser mit weißen Wänden und schwarzen Holzbalken. Die Straße ist geplastert und es gibt keinen Durchgangsverkehr. Auf der anderen Straßenseite fließt ein Fluß. Am Ufer stehen Birken. Was für eine Kombination von Farben: blauer Himmel, das grün der Birken, die weißen Häuser. Es sei erwähnt, daß das grün der Bäume ganz hell ist, so wie bei uns im Frühling. Eine weitere Straße und Häuser sind auch auf der anderen Seite des Flusses. Mehrere Brücken verbinden beide Seiten.

http://www.youtube.com/watch?v=REXI1C1QEKE

Die Häuser sind Keramikläden oder Restaurants. Diese Gegend ist für ihre Keramik (Bizen) und Buchweizennudeln bekannt. Ich kaufe zwei Teebecher. Wer hat schon echte Bizen-Keramik? Dazu noch zwei Tatamiuntersetzer.

Hinter dem Altstadtviertel steht der Achi Schrein. Wie so oft auf einem Hügel, vor den die Japaner Stufen gesetzt haben. Ich muß sagen, man gewöhnt sich dran. Das Schreingelände ist von Bäumen umgeben. Ich merke einen Abnutzungseffekt. Will sagen, der Schrein haut mich nicht vom Hocker, obwohl er sehr hübsch ist.

Es wird Zeit für die Mittagspause. Ich wähle eines der Restaurants am Fluß. Es gibt eine Brühe mit Fleisch. Ich vergleich sie mit Hühnerbrühe, deren Geschmack einem bekannt ist. Nun etwas Japan dazu. Immer noch lecker und so schön anders. Die Sobanudeln kommen auf einem kleinen Holzrost. Argh. Kalt. Das hatte ich vergessen. Ich hatte es im Reiseführer gelesen. Die Nudeln werden im Sommer kalt serviert. Immerhin sind es Buchweizennudeln. Die haben einen anderen Geschmack. Trotzdem, kalt? Jetzt ist es zu spät.

Während ich die Suppe schlürfe und die Nudeln runterwolfe, schaue ich dem Koch bei der Arbeit zu. Die Nudeln sind handgefertigt. Der Teig wird zuerst geknetet, dann flach ausgerollt. Sehr flach. Eine Ladung Mehl hinzu, dann wird der lange Teig gefaltet, wieder flach gerollt und wieder gefaltet. Wie die Lagen eines Katana entstehen so mehrer Lagen Nudelteig, die durch das Mehl nicht verkleben. Dann kommt ein sehr großes Messer und ein Holzblock zum Einsatz. Zuerst werden die Ende abgetrennt, danach der Teigblock in 2mm breite Streifen geschnitten. Jeder Streifen hat geschätzt 32 Lagen. Mit einem Schnitt entstehen so 32 Nudeln mit rechteckigem Querschnitt. Man ist der Junge schnell. tack-tack-tack-tack. hunderte Nudeln innerhalb von Sekunden. Der Holzblock dient als Anschlag für das Messer. Die Finger will man bei dem Tempo nicht in der Nähe haben.

Danach noch ein abschließender Rundgang und der Rückweg. Es ist erstaunlich, wie die Zeit vergangen ist. Ich hatte mir aber auch Zeit gelassen. Zurück in Hiroshima kaufe ich jetzt erst einmal das Shogibrett und einen Satz Steine.

I Robot

Für den Abend war das Schreinfest geplant. Das war aber schon um 17 Uhr zu Ende. Ups. Und nun? Erst mal ins Hotel etwas Wärmeres anziehen. Es sind nur noch 22 Grad. Arschkalt. Kein Witz. Nach 10 Tagen bei knapp 30 Grad zieht man sich einen Pullover an. Auf dem Weg aus dem Hotel hinaus kollidiere ich mit einer Hochzeitsgesellschaft, die im 3. OG gefeiert haben. Benahe werden ich von dem Mob mit in den Reisebus gespült. Ich schaffe es gerade noch so.

Ich schlendere planlos durch die Partyzone von Hiroshima. Und lerne eine wichtige Sache: Japan ist dreidimensional. Nur weil im Erdgeschoß ein Cafe ist, muß das nicht für den ersten Stock gelten. Was in einem Gebäude gestapelt ist, kann kunterbunt gemischt sein: Unten Restaurant, Mitte Hostessenbar, Oben Modegeschäft. Und gleich nebenan, ein Kino. Im 4.OG. Völlig unscheinbar. Ich habe es nur durch das Plaket bemerkt. Es läuft I-Robot. Warum nicht. Die Karte ist schnell gekauft. Als ich im Saal sitze fällt mir ein Detail auf: In welcher Sprache ist der Film? Schnell noch mal raus. Ich frage am Schalter nach. Wie so viele Kinofilme ist er in Englisch mit Untertiteln. Glück gehabt.

Nach dem Kino geht es noch ins KoHiKan. Während ich den Bericht schreibe, läuft im Fernseher ER. In Japanisch. Klingt total schräg. Fazit: Ein gelungener Tag, auch wenn er etwas unausgelastet war. Kurashiki hat bei mir wieder so richtig Urlaubsstimmer verursacht.

Miyajima / Iwakuni

Das Wetter ist wieder bombig. Superblauer Himmel und knapp 30 Grad. Mehr geht nicht. Mit Zug und Fährüberfahrt bin ich etwas über eine Stunde unterwegs und damit vor der Flut am Schrein. Das Torii wird dann maximal im Wasser stehen. Im Zug treffe ich einen Tschechen. Er reist mit dem Lonely Planet Reiseführer. Der ist eher was für Backpacker. Sein Ziel ist nicht der Schrein, sondern der 530m hohe Berg der Insel. Mit der Fähre nähern wir uns dem Torii. Dahinter sieht man den Schrein. Das Boot fährt am Torii vorbei und biegt dann ab zum Anleger.

Der Weg zu Schrein ist Urlaub pur.  Sonne, blauen Himmel und die Temperaturen hatte ich schon erwähnt. Jetzt kommen Wasser, ein Strand und Palmen hinzu. Die Promenade ist autofrei. Rehe laufen frei herum (wie in Nara). Vom Wasser aus haben wir das Torii schon gesehen, jetzt taucht es orangerot zwischen den Bäumen auf. Was für ein Anblick.

Der Schrein ist geschlossen. Enttäuschung. Aber wir sehen die Schäden durch den Taifun. Am Honden fehlt das halbe Dach. Trümmer und Abdeckplanen überall. Was ich bisher nicht wußte ist, daß auch der Schrein im Wasser steht. Wirklich ärgerlich, daß der Zutritt gesperrt ist. Warum nicht ersatzweise auf den Berg?

Der Weg führt durch die Stadt auf die andere Seite der kleinen Bucht, in der der Schrein liegt. Hier gibt es sogar einen kleinen Strand. Die Farbe des Sandes ist wie in Travemünde. In Kamakura war der Sand eher grau wie an der Nordsee. Die Straße endet in einem kleinen Park, dahinter der Wald und der Berg.  Stufen. Warum sind es in Japan immer Stufen? Ich fange erst gar nicht zu zählen. Zunächst kommen wir gut voran. Die Steigung ist mäßig. Links von uns ist ein kleiner Bachlauf. Dann sehen wir die Auswirkungen des Taifuns: umgeknickte Bäume, ein Erdrutsch hat den Weg unter sich begraben, etwas weiter oben fehlt der Weg. Wir klettern über die Bäume. Nicht ganz ungefährlich. Der Hang ist sehr steil, der Baum ist naß und rutschig. An der Stelle, wo der Weg fehlt, bleiben uns nur 20cm zwischen Wand und Abgrund. Wir überlegen umzudrehen. Ehrgeiz siegt.

Auf 2/3 des Weges gehen uns die Getränke aus. Wir haben die Anstrengung unterschätzt und auch die Hitze. Obwohl wir im Schatten des Waldes unterwegs sind, ist es heiß. Dazu kommt die Luftfeuchtigkeit. Der Wald dampft richtig. Der Weg hat die ganze Zeit Steigung und Stufen zugleich, also so etwas wie schräge Stufen. Die Länge der Stufen paßt so gar nicht zu meiner Schrittlänge. Ich versuche ständig drei kleine, oder 2 große Schritte zu machen. Beides gelingt irgendwie nicht. Es ist anstrengend.

Wir hören ein „Konnich wa“. An uns vorbei stürmt förmlich eine Oma mit zwei Wanderstöcken. Wie überlegen kurz, wie sie es an den Hindernissen vorbeigeschafft hat. Dann fällt uns auf, daß wir gerade von einer Rentnerin abgehängt werden. Jetzt aber los. Ehrgeiz. Machen wir es kurz: Wir haben sie bis zum Gipfel nicht eingeholt. Respekt.

Plötzlich sind die Bäume zu Ende. Sonne pur. Und der Blick nach unten. Wir sind etwas um den Berg herumgelaufen. Das da hinten am Horizont müßte… Shikoku ist es nicht. Aber irgendeine Insel in der Inlandsee. Aber wir sind noch nicht am Gipfel. Das sind noch ein paar … Stufen. Hier oben gibt es eine Aussichtsplattform. Man kann sogar auf Miyajima  blicken, der Schrein. Sogar das Torii im Wasser ist zu sehen. Orange in Blau. Welch ein Farbkontrast. Und so klein. 530m hat der Berg. Das Torii steht im Wasser. Da ist die Rechnung einfach. Blickwinkel etwa 45°. Soweit weg ist das Torii gat nicht. 750m Luftlinie und etwa 2 Stunden Fußmarsch.

Der Aussichtspunkt hat einen kleinen Shop. 200yen pro Dose. Im Tal waren es noch 120yen. Die Höheninflation beträgt damit 15yen/100m. Und es gibt keinen Mülleimer. Nur ein Schild, daß uns darauf hinweist, daß wir alles selbst ins Tal tragen dürfen. Natürlich sehr höflich formuliert: „All you can leave are your footprints. Everything else you have to take back with you“.

Für den Abstieg wählen wir den anderen Weg, der auf der Karte eingezeichnet ist. in der Hoffnung, daß er nicht so stark beschädigt ist. Noch während der Planung sehen wir ein paar Europäer. Deutsche. Da ist man auf einer Insel auf einem einsamen Berg in der hintersten Ecke von Japan und man trifft, Deutsche. Unser Glück, sie haben den Weg genommen. Er ist passierbar. Super. Wir raten ihnen von unserem Weg ab. Der Rückweg beginnt mit einer Überraschung. An einer Weggabelung steht ein Schild: Seilbahn rechts, Wanderweg links. Bitte? Es gibt eine Seilbahn? Nicht darüber nachdenken. Auch auf diesem Schild wieder japanischer Humor: „10 min walk (7 if run a little) to Ropeway station“.

Dieser Weg sit wirklich einfacher. Am Ende läuft er parallel, mal links und mal rechts, zum Fluß, den wir bei Aufstieg gehört haben. Gegen 15 Uhr sind wir wieder im Tal. Hier an der Fähre trennen sich unsere Wege. Er will weiter nach Kyoto. Ich nach Iwakuni. Zudem will ich um bei Ebbe noch einmal hierher zurück.

Iwakuni

Der Zug von Hiroshima nach Miyajima fährt weiter nach Iwakuni. Es ist also sehr einfach. Von der JR Station fährt ein Bus zur Kintai-Brücke, die Ziel meiner Reise ist. Die Brücke ist von besonderer Art und sieht ziemlich neu aus. Es ist eine Bogenbrücke. Genauer gesagt sind es mehrere Bögen. Die Benutzung kostet 300yen. Egal. Die Bbenutzung ist ungewohnt. Man läuft auf den Bögen. Es gibt keine Stufen. Soweit ich das sehen kann ist sie vollständig aus Holz gebaut.

Auf der anderen Uferseite gibt es so etwas wie einen Park. Ich vermute es sind die Reste einer Samurai-Residenz oder eines Tempels. Oben auf dem Berg steht die Burg. Aber für die ist keine Zeit. Ich mußte hetzen, um vor 17 Uhr dort zu sein. Ich gehe zurück über die Brücke und schaue sie mir von unten an. Es ist wirklich ein beeindruckender Bau.

zurück in Miyajima

Nach diesem kleinen Abstecher geht es zurück nach Miyajima. Es ist bereits nach 18 Uhr und die Dämmerung ist in vollem Gange. Wenn ich Fotos mache, dann werden es wohl Nachtaufnahmen. Das Tori ist jetzt angestrahlt und glüht förmlich orange-rot. Ich laufe um das die Schreinanalage herum auf die andere Seite. Hier stehen Steinlaternen mit elektrischer Beleuchtung. Von hier hat man den Blick auf das Torii und über das Wasser auf das Festland.

Ich laufe etwas durch die Stadt. Ein Bach plätschert beruhigend neben der Straße, die grillen zirpen, die Temperaturen sind angenehm. Der Weg ist durch kleine, bodennahe Lampen ausgeleuchtet. Sie wirken wie große Teelichter. Fotografieren kann ich die Stimmung eh nicht, also genieße ich. Die Geschäfte haben noch geöffnet. Das ist Urlaub. Ich nehme eine der letzten Fähren um 19:30. Auf der Landseite steuere ich ein Resto an. Es wird Zeit für Abendessen. Der Zug Zug fährt um 20:45 Uhr. Eigentlich wollte ich noch einen Abstecher in das Nachtleben von Hiroshima machen, aber dafür bin ich zu müde.

Fazit: Der Tag steht nach dem Schreinfest auf Platz 2. Auch wenn ich den Schrein nicht besuchen konnte, war die Bergtour super.

Randnotizen:

  • Miyajima ist eine zweite Reise wert.
  • Bei Ebbe und bei Flut besuchen; über Nacht bleiben.
  • Spinnen scheinen einen Deal mit Japanern zu haben. Alle Netze hingen auf 1,75m. Japaner passen unterdurch, Europäer nicht.
  • Die Flut ist schnell. Jede Welle, die ans Ufer läuft, ist einen Schritt weiter.
  • In Japan kosten sogar Brücken Eintritt.

Hiroshima / Okonomiyaki

Vor dem Frühstück den Fernseher konsultiert: 19 Tote, 20 vermißt, 91 verletzt. In Ise fielen 121 Litere Regen innerhalb weniger Stunden. Einige Bahnlinien in der Umgebung sind gesperrt, Brücken eingestürzt. Gut daß heute ein Fußmarsch durch Hiroshima auf dem Plan steht. Das Wetter ist bombig. Die NATO-Bräune der letzten Tage macht sich bemerkbar. Hiroshimas Sehenswürdigkeiten sind in einem Quadrat angeordnet. Da sollte ein Tag reichen.

Die Sehenswürdigkeiten hier in Hiroshima sind fast in einem Quadrat angeordnet und in ihrer Anzahl übersichtlich.Wie praktisch.

Shukkeien. Mein erster Stop ist der japanischen Garten hinter dem Häuserblock mit meinem Hotel. Ein sehr schöner Garten mit all den Elementen: Rasenfläche, ein großer See mit Inseln, ein Wald, ein Gebirge, ein Flußlauf aus dem Gebirgen in den See. Ich laufe die verschiedenen Wege und entdecke immer wieder neue Motive und Perspektiven. Ich muß mich echt mit der Kamera zurückhalten, sonst ist das Filmmaterial hier schon weg. Ich entdecke Schildkröten, die sich am Ufer sonnen. Ein Blick über das Wasser. Hier springen Karpfen. Ich bin fast 90 Minuten hier.

Hiroshima Castle. Viel steht nicht mehr, dafür stand sie zu nach am Ground Zero. Aber einige Mauern, ein Eckturm und das Tor wurden rekonstruiert. Ebenso die Burg selbst. Aber alle Nebengebäude sind weg. Neben dem Eingang zur Burg steht ein Baum. Gesund sieht er nicht aus. Das Schild verrät, daß er die Atombombe überlebt hat und immer noch steht. Weiter geht es durch den Chuopark zum Atombomb Dome.

Bis hier ist Hiroshima eine japanische Stadt wie jede andere. Sie ist kleine als Oosaka und Tokyo und wirkt daher etwas ruhiger. Es fehlen eindeutig die Skyscraper. Die meisten Gebäude kommen über 10 Stockwerke nicht hinaus. (Für Lübecker: Damit sind fast alle Gebäude hier so hoch wie das Behördenhochhaus am Berliner Platz. Die Höhe ist hier Standard. Nur so nebenbei erwähnt.) Eines fällt aber auf. Es gibt hier mehr Bäume. Ich bin vorhin eine Straße entlang gelaufen, die wie eine deutsche Allee auf beiden Seiten Bäume hatte, die Schatten spenden. Und… ich habe sogar einen Mülleimer gesehen. Viele werden sagen „na und?“. Aber dieses hier ist der erste Mülleimer, der nicht auf einem Bahnsteig oder neben einem Getränkeautomaten stand. In der Tat, bisher bin ich an keinem „herrenlosen“ Mülleimer vorbeigegangen; weder in Tokyo noch in Oosaka.

Ich stehe jetzt an der Aioi-dori. Hier fährt eine Straßenbahn. Sie wirkt wie aus einer anderen Zeit, bin ich bisher doch nur U-Bahnen, Monorails und Shinkansen gefahren. Es ist fast ein Statement für Gemütlichkeit. Rechts ist die Aioi-bashi, die T-Brücke, die das Ziel der Bomberpiloten war. Sie ist damals stehen geblieben. Als Ingenieur beeindruckt das. Durch die Bäume sehe ich auf der anderen Straßenseite den Atom Bomb Dome. Jetzt stehe ich am Ground Zero des ersten Atombombenabwurfes. Alles wirkt normal hier, wäre da nicht dieses Skelett eines Gebäudes, daß an 1945 erinnert. Man braucht etwas, bis diese Info vom Gehirn verarbeitet wird.

Am Atom Bomb Dome vorbei über eine Brücke gelange ich zum Peace Memorial Park. Nur ich … und hunderte Schulkinder. „Hello, My name is … I am from … What’s your name? Where do you come from?“ Erst waren es nur drei Kinder, aber nachdem ich die ersten Fragen beantwortet habe, werden es immer mehr. Vom Alter her sind sie höchsten in der 5. oder 6. Klasse. Dafür sprechen sie verdammt gutes Englisch. Und einfach so auf Fremde / Ausländer zugehen, ich glaube, das habe ich mich damals nicht getraut. Ich muß meinen Namen und mein Land in eine Liste eintragen. Welche Lehrerin denkt sich sowas für einen Schulausflug aus? Beeindruckt hat mich folgende Begebenheit: Ich habe Deutschland in die Liste geschrieben, nicht Germany (mit Absicht, ich wollte das Wort nehmen was wir Deutschen selbst verwenden, quasi als Bonus). Das Wort kennen die kleinen nicht. Also sage ich „Doitsu“. „Ah, Doitsu“, die kleinen rollen eine Weltkarte aus. Ein kleiner Punkt wird auf Deutschland geklebt. (Der erste. Frankreich hat schon drei.) Die kennen anscheinend alle europäischen Länder, denn lange gesucht haben sie Deutschland nicht. Wow… Es scheint als wären mehrere Gruppen unterwegs und nur wenige Ausländer. Ich bin umringt von Kindern. Alle beginnen ihren Satz mit „Hello, my name is …“ Ich komme mir vor bei Baseballstar, der Autogramme verteilt.

Nach etwa einer halben Stunde gelingt mir mit Hilfe der Lehrerin die Flucht; nicht ohne zuvor zig Mal fotografiert zu werden. Merke: Um Schulklassen einen Bogen machen. Es geht am Cenotaph und am Mahnmal für die Kinder, die 1945 umgekommen sind, vorbei. Hier stehen Vitrinen mit hunderten Origami-Kranichen. Ich stehe vor dem Peace Memorial Museum. Unten im Eingang, zwei Uhren. Eine zeigt die Uhrzeit seit dem Abwurf der Bombe an, die andere die Zeit seit dem letzten Test. Hier im Museum steht auch die Originalkuppel vom Atom Bomb Dome. Die Exponate und Fotos sind drastisch und machen einen nachdenklich: ineinander verschmolzene Keramikschalen, Stahlträger verbogen wie Knetgummi, eine Betonwand mit Glassplittern im Beton (!), ein Foto von einer Treppe mit einem Schatten. Der Schatten war ein Mensch, … Aus dem Mueeum hat man einen Blick auf dem gesamten Peace Memorial Park. Dahinter sieht man den A-Bomb Dome.

Bevor meine Stimmung in Depression umschlägt geht es weiter, die Heiwa Odori entlang. Von der Straße hatte ich mir mehr versprochen, keine Ahnung wieso. Aber es einfach nur eine breite Straße. Mein Ziel ist auch vielmehr der Hijiyama-Park. Hinter der Tsurumi-bashi entdecke ich den Schriftzug „okonomiyaki“. Zugegeben, ich kann ur das O und das mi lesen. Der Rest ist Kanji. Aber ich habe mir den gesamten Schriftzug gemerkt. Stimmt, da war was. Es ist die Spezialität hier in Hiroshima. Der Laden ist sehr klein. Höchstens 3 Gäste und der Koch, in diesem Fall eine ältere Oma. Sie spricht kein Wort Englisch. Aber die Bestellung kriege wir trotzdem auf die Reihe.

Hiroshima Okonomiyaki beginnt mit dem anbraten von Nudeln, parallel Eierteig anbraten. Nudeln auf den Teig, Kohl und Fleisch dazu. Ein Ei anbraten und den Teigblock auf das Ei wenden. Weiter braten und ein paar Mal drehen. Bulldog-Soße, Seetang, Fischspäne. Fertig. Erstaunlich wie lecker diese schräge Mischung ist. Ach ja, gegessen wird mit Stäbchen. Als Hilfe gibt es einen kleinen Spatel, mit dem man den Pfannkuchen in kleine Stücke teilen kann, die dann mit Stäbchen gegessen werden.

Eine Frau betritt den Laden. Ich vermute, die Tochter der alten Dame. Kurz werden die wichtigen Infos ausgetauscht und danach ich in das Gespräch eingebunden. Alle Eckdaten meiner Reise (aus Deutschland, 4 Wochen Urlaub, Reise alleine) werden mit einem „sugoi“ zur Kenntnis genommen. Es kommt ein wenig Konversation zustande.

Nach einem Abschiedssfoto geht es den Berg rauf. Von hier oben hat man ein gute, wenn auch nicht umwerfende Aussicht. Ich sehe einen Wegweiser zum Radiation Effect Research Center. Die können zumindest beantworten, ob es heute noch eine meßbare Reststrahlung gibt. Allerdings löst meine Frage an der Rezeption ein kleines Chaos aus. Der zweite Chef des Instituts wird geholt. Ich soll kurz warten. Es wird mir Kaffee angeboten. Am Ende unterhalten wir uns eine dreiviertel Stunde über die Folge des Bombenabwurfes und die Arbeit des Instituts. Zum Abschied gibt es den aktuellen Jahresbericht und eine Visitenkarte. Das ist Japan.

Nächster Stop, eigentlich nur, weil es hier auf der Ecke ist und das Gebäude in dem Buch über moderne Architektur in Japan berichtet wurde, das Museum für zeitgenössische Kunst. Ich bleibe dabei. Ich habe für Kunst kein Verständnis. Überhaupt nicht mein Ding. So gar nicht. Es ist noch etwas Zeit, als ich meine Rundreise am Bahnhof endet. Also noch schnell zum Toshugu Schrein und von hier den Berg hinauf. Ich sehe viele kleine Torii und leider auch Stufen. Am Ende lande ich bei geschätzten 100 Höhenmetern, über 470 Stufen und 30 Torii. Letztere sind für Europäer ein Stück zu klein und machen das Stufensteigen nicht einfacher. Danach führt ein Trampelpfad weiter zur Peace Pagode.

Letztes Ziel ist es über den Berg zum Tsuruhane Schrein. Nur leider komme ich vom rechten Weg ab. Zu meiner Verteidigung muß ich sagen, daß es nie einen Weg gab. Eher eine Schneise im Unterholz. Es geht über Bäume, einen Hang hinunter. Umdrehen ist nicht mehr. Ohne Weg gibt es auch keinen richigen Rückweg. Zudem fängt es an zu dämmern. Jetzt wird es brenzlig. Irgendwann bin ich runter auf die Höhe von Hausdächern. Mal sehen wo es noch tiefer geht. Ich hoffe auch, daß ich nicht durch einen Garten muß. Wäre etwas blöd zu erklären. Dahinten ist ein Weg, ich muß nur noch dieses Spinnennetz samt Spinne beseitigen. Giftgrün und mit Beinen etwa Handteller groß. Uargh. Nachdem dieses Problem entsorgt ist und ich wieder einen gepflasterten Weg unter den Füßen  habe, ist es ganz einfach.

Jetzt erst einmal ins Hotel duschen. Jetzt kommt der gemütliche Teil. Zuerst einen Streifzug durch das Shoppingcenter am Bahnhof. Hier finde ich ein Shogibrett. Umgerechnet 18€ und damit die Hälfte des deutschen Preises. Das wird morgen geshoppt. Weiter geht es zum Amusement District. Der Rundgang endet mit Kaffee und Kuchen im KoHiKan. Morgen steht Miyajima auf dem Plan. Ich hoffe, daß nach Taifun 16 und 21 (gestern) etwas übrig ist, daß ich besichtigen kann. Die Flut ist um 11 Uhr, also sollte ich zeitig los.

Fazit: Das erste Mal, daß ich meinen kompletten Tagesplan durchgezogen habe. Dann war die Autogrammstundeim Park. Das Gespräch am Research Center war zwar so nicht geplant, aber definitiv ein erwähnestes Highlight. Ganz oben auf des Liste des heutigen Tages steht aber das Okonomiyaki und die alte Alte. Das ist eine Urlaubserinnerung die man weder erzwingen noch wiederholen kann. Einmalig.

Randnotiz:

  • Es gibt keine Mülleimer. (Ausnahme: direkt neben Getränkeautomaten und auf Bahnsteigen.)
  • Es gibt keinen Müll auf den Straßen; nicht einmal Zigarettenkippen; auch keine Kaugummiflecken.
  • Schulkinder tragen fast immer Schuluniform.
  • Kinder im aus dem Kindergarten erkennt man an der gelben Mütze.
  • Reisegruppen haben einen kitschigen Sticker an der Jacke.
  • Die Reiseleiterin eine Fahne mit dem gleichen Logo.
  • Zeitgenössische Kunst ist nicht mein Ding.
  • Japanische Spinnen bauen dreidimensionale Netze.