der 4. Tag – Takaragawa Onsen, Minakami Onsen

Anders als die anderen Tage zuvor steht heute nur ein einziger Punkt auf der Liste: Takaragawa Onsen und der Tag beginnt mit einem japanischen Frühstück. Und auch nach 15 Jahren sind Fisch zum Frühstück und Tsukemono immer noch nicht so ganz mein Ding.

Im Fernsehen laufen Bilder vom neuen Kaiser Naruhito und auch vom Platz vor dem Kaiserpalast, der sich schon so früh mit tausenden Leuten gefüllt hat, die in den Palast wollen. Ich könnte rechtzeitig in Tokyo sein … Auf der anderen Seite habe ich Urlaub … aber genau deshalb nach Japan geflogen …

Die Entscheidung fällt schwer. Aber am ende überwiegt das Onsen. 5 Stunden Bus und Bahn plus 1-2 Stunden Schlange stehen? Nein. Wenn da mehr wäre als die vermutlich wenige Minuten dauernde Ansprache, dann vielleicht. Aber so? Nee.

Das Ryokanpersonal fährt mich zum Bahnhof, wo der Bus in etwa 25 Minuten abfährt. Gegenüber des Bahnhofs stehen etwa ein Dutzend Häuser mit Geschäften. Jetzt bei diesem strahlend blauen Himmel ist das ein Postkartenmotiv. Es erinnert entfernt an eine kleine Stadt aus einem Wildwestfilm: der Bahnhof und gegenüber der Saloon, der Bäcker, der Friseur und ein paar andere Geschäfte.

Die Busfahrt dauert etwa eine halbe Stunde, dann stehe ich und etwa 10 andere Onsensuchende im nichts. Zum Onsen sind es etwas mehr als 1km, aber da soll gleich ein Shuttlebus kommen. Unten am Onsen gibt es die übliche Einweisung. Womit ich nicht gerechnet habe ist, dass es ein mixed Onsen ist; aber eines von der Sorte, wo man bekleidet badet. Badekleidung wird gestellt und ist im Prinzip ein großes Handtuch mit Bändern zum Festbinden.

Die Kamera bleibt im Coin Locker. Bis zur Rückfahrt habe ich fast drei Stunden, die erstaunlich schnell vorbei sind. Das Onsen selbst befindet sich beidseitig neben dem Fluss und besteht aus mehreren Rotenburo. Die Temperatur ist bei dieser Größe abhängig von der Position relativ zum Wasserzulauf und reicht von angenehm heiß (ca 40°C) bis „nur for Profis“ (ich vermute so um die 45°C). Ich selbst schaffe es nur mit den Zehen in das obere Becken und selbst ein Gruppe Japaner kapituliert … bis auf einen einzigen, der es tatsächlich knapp 30 Sekunden aushält. Die Bewunderung der anderen wird ihm sofort zu Teil.

So ein Rotenburo ist schon was besonderes. Man sitzt entspannt im Wasser. Neben einem braust der Fluss entlang. Man hat den unverstellten Blick in die Natur.

Nur das Restaurant mit der Bärensuppe finde ich nicht bevor der Bus für die Rückfahrt geht. Ich greife daher auf das Takaragawa Ramen am Onsen zurück. In Minakami angekommen sehe ich eine Dampflok am Bahnsteig. Die Chance muss ich nutzen. Nach kurzer Rücksprache darf ich ohne Ticket auf den Bahnsteig (das ist in Japan nämlich nicht erlaubt).

Es ist 15:30 Uhr und mein Tagesplan mit nur einem einzigen Punkt ist erledigt. Also geht es in den Souvenirladen. Auch hier gibt es Octone. Hah. Noch während ich diese Hopfenkaltschale genieße stelle ich fest, dass 2 Stunden Onsen auch 2 Stunden Sonne bedeuten, was den Sonnenbrand von vorgestern nicht besser macht.

Der Weg zurück zum Ryokan führt quer durch die Stadt Minakami und zeigt extrem deutlich, dass dieser Ort quasi im totalen Verfall begriffen ist: so viele leer stehende und zum Teil schon teileingestürze Hotelsruinen. Ich habe das schon in anderen Orten gesehen wie Naruko und Aizu-Wakamatsu, aber nie so schlimm wie hier. Ich habe viel von den Onsenhype gehört, während dem dutzende riesige Hotels wie Pilze aus dem Boden schossen. Dann kam der tiefe Fall am Ende der Bubble Economy und die Landflucht. das Resultat ist das Stadtbild von Minamaki.

Kurz vor dem Hotel finde ich die Octone-Brauerei. Das war das Bier von gestern Abend. Die Brauerei ist wirklich eine Microbrewery. Ich vermute so groß wie meine Wohnung. Zusammen mit dem bestellten IPA kommt der Tip, heute Abend mal im Ruins vorbeizuschauen. Warum nicht. Ich habe eh nichts vor.

Vor und nach dem Abendessen gibt es einige Onsenrunden. Das Abendessen selbst ist noch besser als gestern, was wohl auch daran liegt, dass dieser Tag so entspannend war.

Ich greife die Ruins-Idee auf. Viel los ist hier nicht, aber der Besitzer wäre auch sonst nicht zu übersehen: Er ist Kanadier und hat die Statur eines Linebacker. Er kennt die Betreiber vom MICASA, die auch Rafting und Canyoning anbieten; mit ein Grund, warum er hier in Minakami hängen geblieben ist.

Und ich lerne, dass Minakami versucht sich üer Outdoor-Aktivitäten neu zu definieren. Ohne Touristenattraktion in der Nähe ist das die einzige Option und könnte funktionieren: Tagsüber White Water Rafting und abends dann entspannt ins Onsen. Was im übrigen ein gute Idee ist …