Kawaguchi / Shinjuku Jazz

Um das gleich vorweg zu nehmen: dieser Tag war voll daneben. Versucht niemals mit dem Zug über Gotemba in Richtung Fuji zu reisen. Geht lieber zu Fuß. Der heute Tag markiert die untere Kante dieser Reise. Selbst die Irrfahrt nach Matsushima war dagegen gut. Dabei fing allse so gut an; auch das Finale hatte es für sich. Nur die Zeit dazwischen …

Das Wetter ist gut, 20 Grad und Sonne. Heute geht es zum Fuji. (Leider habe ich die Reiseroute nicht notiert. Ich glaube ich bin mit dem Local nach Kouzu gefahren, nachdem man mir sagte, daß der Shinkansen vorbeifährt, aber an den entscheidenden Bahnhöfen nicht hält.) Nach dem Umsteigen in einen anderen Zug mit einer halben Stunde Wartezeit auf einem Bahnhof im Nirgendwo, gelange ich nach Gotemba. Nach Karte bin ich jetzt am Fuß des Fuji. Soweit so gut. Der Fuji ist viel größer geworden, wirkt aber immer noch weit weg.

Von hier fährt nur ein Bus zu Fuji. Also los. Der Bus fährt und fährt. Meine Laune sinkt immer tiefer, die Preisanzeige im Bus steigt und steigt. Nach Karte sind es höchsten 20km. Was kann da schon so lange dauern. Aber dieser Bus zuckelt durch die Gegend. Ich gehe nach vorne und Frage, ob ich im richtigen Bus sitze. Ja doch.

Endlich Yamanakako, der erste der fünf Fujiseen. Um nicht völlig zu explodieren fange ich ein Gespräch mit dem Australier hinter mir an. Auch er hatte sich die Anreise anders vorgestellt. Im Gegensatz zu mir ist er aber erstaunlich gelassen. Dann endlich, nach einer nun insgesamt 5-stündigen Odyssee erreiche ich Kawaguchi. Es ist 14 Uhr. Dichter an den Fuji komme ich nicht mehr. Jetzt verstehe ich auch seine Gelassenheit. Er ist Backpacker. Er verschiebt den Fuji einfach auf morgen oder übermorgen. Zuerst steuern wir die Tourizentrale an. Er sucht ein Hostel, ich einen Weg zurürck.

Jetzt der Schlag ins Gesicht. Es gibt eine Busverbindung ab Shinjuku. Arghhh. Der Bus fährt über die Autobahn und braucht 2 Stunden. Ich dreh durch. Jetzt brauche ich ein Bier. Schnell. Runter zum See. Auch er hat Hunger. Kurz vor dem Ufer gabelt sich die Straße. Hier steht ein paar kleine Restaurants; Garküchen trifft es eher.

Wir entscheiden uns für eine. Ob es die beste Wahl war… Der Laden ist klein und schon etwas runtergerockt. Aber was solls. Bier und Soba. Etwas salzig. Hugh. Das ist das Problem wenn man die Karte nicht lesen kann. Auch die Toilette ist eine Überraschung. Es Keine Schüssel. Ein japnisches Stehklo. (Loch im Boden). Super. Heute hat sich alles gegen mich verschoren. Pinkeln geht noch. Für Rest benötige ich wohl ein Handbuch wenn nicht gar einen Volkshochschulkurs.

Von dem Resto sind es nur wenige Meter zur Seilbahn zum Mt Tenjo. Von hier oben hat man eine gute Sicht auf den See und den Fuji. So dicht dran und doch so weit weg. Anschließend begleite ich den Australier zum Hostel. Wir laufen durch die Randbezirke von Kawaguchi. Hier ist nichts los. Im Vergleich zu Tokyo geradezu dünn besiedelt. Die Straße zieht sich hin. Die Häuser sehr alt und runtergekommen aus. Ein Eindruck, der sich immer wieder bestätigt. Dieser Eindruck setzt sich aus mehreren Dingen zusammen. An den Häusern ist viel aus Metall. Dieses rostet. Die Fenster haben Einfachverglasung. Es fehlen die für Deutschland typischen Vorgärten. Alles sieht etwas rumpelig aus. Wenn man das jetzt in die USA packt würde man sagen, schlechte Nachbarschaft.

Wir laufen noch etwas die Straße entlang. Der Fuji kommt nicht dichter. Wir drehen um. Er steuert nun final das Hostel an, ich gehe zurück zum Bahnhof. Da es bis zur Abfahrt des Busses noch ein paar Minuten mehr sind, laufe ich durch Kawaguchi. Hier im Stadtzentrum ist auch nicht viel los. An der Ostsee würde ich sagen Nebensaison. Noch ein paar Fotos vom See und dann Abfahrt.

Shinjuku Jazz

Die Fahrt über Land ist wenig ereignisreich. Paßt zum Rest des Tages. Gegen 19:30 fährt der Bus auf den Chuo Expressway. Jetzt geht es sehr schnell. Am Horizont erkennt man die Lichter von Tokyo. Sie kommen näher und werden immer mehr. Noch kann ich keine bekannten Punkte erkennen. Und das gibt es wohl nur in Japan: Bushaltestellen auf der Autobahn. Der Bus stoppt wirklich mehrmals auf dem Standstreifen, um Leute ein- und austeigen zu lassen.

Gegen 19:50 erkenne ich die Skyline von Shinjuku. Die Twin Tower des Rathauses. Ein Blick zur Seite. Wir sind bereits umgeben von Tokyo. Ein Foto ist leider nicht möglich. Die Kamera will mindestens 1 Sekunde. Nicht in einem fahrenden Bus.

Der letzte Abschnitt der Fahrt beginnt. Die Häuser werden immer höher. Die Autobahn führt jetzt mitten hindurch. Ein rot-weißes-Lichtband. Immer mehr Bürotürme. Dann geht es von Express runter auf die normale Straßenebene. Ein paar Kurven. Dann in eine tiefer gelegene Ebene. Shinjuku. Der Bus hält. Die Fahrt zum Fuji wäre so einfach gewesen.

Leider kann der Busfahrer den 10000er nicht wechseln. Ein japanübliches „Please wait“ folgt. Er geht ins Gebäude und läßt mich im Bus zurück. Nach etwa 2 Minuten kommt er mit Wechselgeld wieder. Jetzt kann ich bezahlen. Das nenne ich Service.

Anschließend geht es durch das Nachtleben. Zuerst verlaufe ich mich im dem Gängesystem der U-Bahn. Ich habe keine Ahnung, wo ich bin. Irgendwann bin ich wieder auf Straßenniveau. Irgendwo. Ein Jazz-Combo spielt Jazz; mitten auf der Straße. Tokyo ist immer wieder für eine Überraschung gut. Ich hole mir einen Caramel Macchiato beim Star Bucks ein paar Meter die Straße hinab. Noch auf dem Weg dorthin sehe ich einen Japaner mit Posaune. an mir vorbei laufen. OK. Ich nutze die Gelegenheit, um ein weiteres Souvenir zu kaufen: Eine Tokyo-Starbucks-Becher. Klingt etwas albern, aber irgendwie will ich den haben.

Mit dem Becher und Getränk geht es zurück zu der Jazz-Combo. Tatsächlich, der Japaner mit der Posaune steigt gerade in die Session ein. Ich sehe auch einen Schlagzeuger, der gerade aufbaut. Woher hat er das Schlagzeug? Kann mir egal sein. Was hier gerade abläuft, kann man nicht planen. Ich nehme das einfach mit. Nachdem der Tag total daneben war, brauche ich das jetzt. Ich sitze auf dem Gehweg mitten in Shinjuku, höre Jazz. Es sind etwa 25 Grad. Zumindest der Abend ist gerettet. Nach etwa einer Stunde verlasse ich die Szene. Aufhören, wenn es am Schönsten ist.

Rückreise zum Hotel. Vor dem Bahnhof stehen 4 Karren, wie ich sie aus den Anime kenne. Sie haben die Größe vom Wurst-Maxe-Stand. Neben den Karren stehen Sitzbänke; um die Karren herum stehen kleine Hocker. Die Karren sind überdacht. Lampions leuchten. Es ist ein Art japanischen Fondue. In der Mitte brodelt eine Suppe. Nach Wunsch der Gäste, wirft der Koch verschiedene Sachen hinein und fischt sie etwas später wieder heraus. Ich traue dem ganzen nicht. Keine Ahnung warum. Ich steuere einen Laden an und bestselle ein Karree. Das ist mir sicherer, vom Geschmack meine ich.

Der Weg zurück führt mit der Yamanote nach Okachimachi. Es ist bereits 23 Uhr, aber der Bahnsteig ist rappelvoll. In den Zügen bekommt man nur mit Mühe einen Stehplatz. Dabei fähert die Yamanote immer noch im 6-Minuten-Takt. Auf den Straßen das gleiche Bild. Hier ist mehr los, als in der Lübecker Fußgängerzone um die Mittagszeit.

Das Publikum ist gemischt. Sehr viele Geschäftsleute mit Anzug und Krawatte. Habe ja schon von dem Vorurteil gehört, daß die nach Feierabend mit den Kollegen in einem Izakaya (Kneipe) versacken. Scheint was dran zu sein. Ich sehe auch jugendliche in Schuluniform. Waren die noch nicht zu Hause? Oder ist dies die Bestätigung für ein weiteres Klischee: Japaner denken in Gruppen und Gruppenzugehörigkeiten. Tragen Schüler deshalb bis spät abends die Schuluniform damit sie der Gruppe „Schulklasse XY der Schule XY“ angehören? Sie richtig verstehen wird man das wohl nur als Japaner.

Randnotizen

  • Fazit: Der Tag war voll daneben. Zumindest am Fuji gewesen und „Jazz in Shinjuku“
  • Wenn Fuji, dann mit dem Bus ab Shinjuku. Alles andere ist Wahnsinn.
  • Haltestellen auf der Autobahn.