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Otaru (oder gleich Yoichi)

Heute ist das Wetter noch gut, aber der Taifun naht. Auf nach Otaru. Im Reiseführer erwähnt wegen des Kanals und der Shoppingstraße mit alten Häusern. Wie immer erwartet man mehr, als man bekommt. Japans Touristen ticken anders.

Der Zug nach Otaru schlängelt sich durch die Landschaft; eingleisig und mit vielen kleinen Tunnels. Dann erreichen wir den Bahnhof. Mir fallen sofort die kleinen, bunten Petroleum-Lampen auf, die hier als Beleuchtung/Deko hängen. Hünsch, putzig und etwas „remote“.

Otaru

Der Kanal ist ganz nett. Könnte man sicherlich was draus machen. Den alten Lagerhäusern fehlt der gewisse Pepp. Wenn man die aufmöbelt, könnte das eine coole Kulisse werden. Auf der Suche nach der Schoppingstraße stoße ich auf die Otaru-Brauerei. Na wenn das nicht das fleischgewordene Klischee von Deutschland ist: eine Mischung aus Brauberger und Hofbräuhaus, dazu die Klänge von Polka und „Es gibt kein Bier auf Hawaii“; Bier aus Maßkrügen bayrischer Art und Süßigkeiten von Haribo (3 Euro die Tüte, ist ja aus „Doitsu“). Die Brauanlage stammt wie – wie sollte es anders sein – aus Deutschland, Bamberg um präziser zu werden. Zu einem Bier ringe ich mich durch. Dann aber raus. Eine Überdosis Deutschland droht.

Nach diesem Kultrschock geht es weiter zur Shoppingstraße mit den typischen japanischen Läden: kitschige Handwerkskunst und Essen. Ersteres interssiert mich weniger. Letzteres kommt mir gerade recht. Ich gönne mir ein Stück Hokkaido-Melone; 100円 für etwa 1/32 Melone. Ist eigentlich fair. Eine ganze Melone kostet hier schon mal 50-80 Euro (nach oben gibt es keine Grenzen). Das erwähnte kitschige Handwerk in Otaru ist Glasbläserei … Nichts für Männer. Tip: Laßt eure Frauen (ohne Kreditkarte) hier und fahrt 25 Minuten (mit Kreditkarte, siehe unten !)  mit der Bahn nach …

Yoichi

Der Ort ist noch kleiner als Otaru. Hier gibt es nicht zu sehen. Der Grund für meine Reise ist die Nikka-Destillerie. Man kann ohne Eintritt über das Gelände gehen. Die Bereiche, in denen der Whiskey heute hergestellt wird, ist off-limits. Wir sind schließlich in Japan. Das Areal ist speziell für Touristen zu recht gemacht. Es gibt keine Führungen. (Wer eine Destillerie im Betrieb sehen will, sollte nach Schottland fahren.)

Einzig erwähneswert war das alte Haus vom Besitzer. Sehr englisch, sehr westlich. Am Ende des Rundgangs, bzw. auf der anderen des Geländes, gibt es das Shopping-Center für Touristen. Kurz vorher auf der rechten Seite ist ein kleines Museum. Hier erfährt man etwas über die Ursprünge von Nikka Whiskey. Und man kann Whiskeys probieren. Allerdings ist nur die erste Runde gratis, die zweite gibt es nur gegen Bares. Das soll mich nicht abhalten, zumal es hier Sorten und Abfüllungen gibt, die man außerhalb Japans oder der Destillery nicht bekommt.

Yoichi und Baseball

Das Ambiente stimmt: ein dunkler Raum, dunkle Hölzer; der Kellner mit weißem Hemd und Fliege. Das „Sir“ ist inklusive. Die Whiskeypreisen sind für Japan billig. Ich probiere mich durch: 15 Jahre Single Cask, 25 Jahre Single Cask, usw. Höhepunkt ist der Single Coffee Grain. Sehr interessant im Geschmack. Soweit mein fachunkundiger Gaumen das Beurteilen mag: Noten von Karamel und Vanille. Die Verwendung einer Coffee Still ist ungewöhnlich. Sie erlaubt einen non-stop-Brennprozess, ähnlich wie die Kolonnen einer Raffinerie. Das Resultat ist aber so interessant, daß ich eine Flasche kaufe. Nein, keine Preise. Nur so viel: Ich muß wohl meine Hausratversicherung erhöhen. [Nachtrag 2016: Er ist jetzt auch auf dem deutschen Markt v erfügbar.]

Um 18 Uhr bin ich wieder in Sapporo. Was machen mit dem Rest vom Tag? Museen und Park haben geschlossen. Es dämmert. Baseball! Ich habe da doch im zug ein Plakat gesehen. Um 19:20 bin ich am Sapporo Dome. Eine Baseball-Halle. Der Anblick ist vertraut. Ich habe das Design in einem Buch über moderne japanische Architektur gesehen. Der Architekt war Hiroshi Hara. Er hat auch den Bahnhof von Kyoto und den Floating Garden in Oosaka entworfen. Der Clou: Der Rasen ist fahrbar. Man kann das Fußballfeld gegen ein Baseballfeld tauschen!

Das Spiel läuft bereits und die Karten kosten nur noch die Hälfte. Dafür verzichte ich gerne auf die ersten drei Innings. Die Stimmung ist super (muß irgendwann mal die Audiospur ins Netz stellen), auch wenn das Stadion nur zu einem Drittel gefüllt ist.

Bemerkenswert ist das Interview nach dem Spiel. Reporter: „Bla bla, sabbel, sabbel“, Spieler „Hai!“,  Reporter: „Bla bla, mehr sabbel“, Spieler „So desu!“ So kurz angebunden und trocken ist nicht einmal Thomas Schaaf von Werder Bremen. Das Publikum johlt bei jeder Antwort. Danach geht auch dieser Tag nach einem Abendessen in einem Izakaya zu Ende. Das Bier ist wie immer erfrischend, das Essen wie immer lecker.


Fazit für Japantouristen: Otaru kann man besuchen, ist aber kein Pflichtprogramm. Yoichi bietet nur die Destillerie. Wer hierher will, sollte es als Winterurlaub planen, Denn diese Gegend ist eigentlich ein Wintersportgebiet. Wenn meine Reiseroute nicht an Otaru und Yoichi vorbeiführt, würde ich nicht unbedingt einen Umweg dafür machen.


Kanji-Lexikon:
Otaru 小樽, Doitsu ドイツ, Yoichi 余市, Sapporo Dome 札幌ドーム, Izakaya 居酒屋

高円寺阿波おどり (Koenji Awa Odori)

Der Tag startet mit meinem Fruehstücksklassiker: Reis + Misosuppe, dazu Kaffee und 2 Brötchen. Dieses Jahr ergänzt durch eine Banane (man muß auch mal was Neues wagen).

Dann gehe es los. Akihabara und über Nihonbashi weiter zur Ginza. Ich laufe die Strecke, bei den Temperaturen nicht unbedingt die beste Idee des Tages. Die Route hat zwei Überraschungen parat: Nihonbashi ist eine einzige Baustelle und das Kabuki-za an der Ginza haben sie abgerissen. Damit sind zwei geplante Foto-Shootings abgesagt. Einzige Ausbeute bisher ist ein Foto vom Fluß Kanda. Die Häuser sind bis ans Wasser gebaut. Das ist Tokyo. Jeder Zentimeter wird genutzt.

Compact Tokyo

Auf nach Ebisu. Die Station ist nach der gleichnamigen Brauerei benannt, die dort einmal stand, nicht umgekehrt. Ich genehmige die Führung auf japanisch (habe nichts verstanden). Dann geht es zur Bierprobe. Hier(von) vestehe ich mehr.

Die Gegend im die Brauerei heurm ist irgendwie anders als der Rest von Tokyo. An der Straße stehen Bäume. Der Zugang zur Bahnstation ist ein Eyecatcher; schwer zu beschreiben. Auf dem Ebisu-Gelände steht ein altes Herrenhaus; keine Ahnung, ob es ein Original ist. Optisch paßt es so gar nicht in diese Megacity. Abschließend geht es rauf zur Aussichtsplatform. Ich kenne Tokyo von oben, aber diese Perspektive ist neu. Am Horizont erkenne ich den Landmark Tower von Yokohama. Das Häusermeer ist durchgehend. Wo hört Tokyo auf, fängt Yokohama an?

Weiter zur Cosplay-Bridge. Keiner da? Dafür eine Bühne und Awa Odori-Tänzer. Nicht nur in Koenji scheint heute ein Festival zu sein. Es ist voll. Ich kann einen guten Platz an der Absperrung erringen. Der Sponsor ist übrigens Volkswagen.

Meiji Jingu mae

Zurück im Hotel frage nach dem Weg zum Koenji Awa Odori. Praktisch, der Zug von Ochanomizu fährt sogar direkt dorthin. Die Größe des Festival, habe ich ein wenig unterschätzt. Es ist rappelvoll. Von der Bahnstation konnte ich auf die Hauptstraße blicken und die Parade sehen. Aber die direkten Wege sind von der Polizei gesperrt. Ich verliere die Orientierung. Laufe durch die überfüllte Gassen. Überall werden Snacks und Getränke verkauft. Volksfeststimmung.

Ich laufe zick-zack. In einer kleinen Straße treffe ich auf Tänzer. Es ist eng, aber die Stimmung ist einmalig. Nach ein paar Minuten zieht es mich weiter. Ich finde die Hauptstraße und kann mir – keine Ahnung wie – einen guten Platz sichern. Die Bilder sprechen für sich. Die Kulisse ist übrigens tiptop. Mir gegenüber ist eine Tribüne. Von dort hat man die bessere Aussicht, aber ich habe stattdessen die Lampions als Hintergrund.

Die Stimmung ist super. Ich sitze auf einer Tatamimatte, genieße ein Bier und mache Fotos. So macht Japan Spaß; Mittendrin statt nur dabei. – Habe übrigens die Japaner verblüfft, als ich ohne Aufforderung die Schuhe ausgezogen habe, bevor ich auf die Tatami getreten bin.

Koenji-Awa-Odori

Das Fest ist zu Ende. Ich lasse den ersten großen Besucherstrom in Richtung Bahnhof ziehen. Ich mache die Bekanntschaft mit einem „Samurai“; genauer gesagt eine Schauspieler. Sein Outfit erinntert mich an Sanjuro Kuwabatake aus Yojimbo von Kurosawa (einer meiner Lieblingsfilme). Zurück in Ochanomizu gehe ich zu Fuß in Richtung Akihabara und finde dabei einen Schrein. Die Beleuchtung ist definitiv einen Schnappschuß wert. Außerdem trage ich schon die ganze Zeit das Stativ mit mir rum. Zu irgendwas muß es ja nützlich sein.


Fazit: Perfekter Japan-Auftakt. Hoffentlich kann ich das noch toppen. Diesen Tag buche ich trotz leichter „Zähigkeit“ am Anfang als vollen Erfolg. Morgen dann Odaiba. — Wer die Chance hat, das Koenji-Awa-Odori zu besuchen, sollte es unbedingt machen. Ich verspreche ein einmaliges und umwerfendes Japanerlebnis.


Nachtrag: Hier ein paar Infos zum Koenji-Awa-Odori …
– Die offizelle Webpage webpage.
Youtube video von 2010 (bin aber nirgends zu sehen :-)
– ein weiteres video auf Youtube von 2006.
Denkt euch den PC und den Bildschirm weg und baut euch in die Atmosphäre der videos ein. Japan, 28°C, spätabends, Yakitori und Asahi Bier; und keine Verpflichtung außer die, im hier und jetzt zu sein … Deshalb fliege ich nach Japan und nicht nach „Malle“.


Kanji-Lexikon: Miso (みそ, 味噌), Yakitore (焼き鳥), Kabuki (歌舞伎), Cosplay (コスプレ), Tatami (畳, trad. auch 疊, 疉 oder 疂), Koenji Awa Odori (高円寺阿波おどり),  Akihabara (秋葉原), Nihonbashi (日本橋), Ginza (銀座), Ebisu (えびす), Odaiba (お台場),