Heute ist Rishiri dran. Ursprünglich wollte ich auf den Gipfel. Aber selbiger ist seit gestern in Wolken gehüllt. Die Aussicht von oben wäre gleich Null. Und dafür einen 6-Stunden-Aufstieg? Und wieder runter an einem Tag. Jetzt um 8 Uhr wäre es bereits zu spät. Ich würde es vor der Dunkelheit nicht zurück schaffen. Was tun? Ich glaube ich lasse das mit dem Berg. 1700 Höhenmeter sind ein Gegner, den ich nicht unbedingt riskieren will. Ich habe die Radtour von gestern noch in den Knochen.
Rishiri 1
Ich entschließe mich für ein Rundreise mit dem Bus. Rundreise ist hierbei fast wortlich zu nehmen. Die Insel ist fast kreisrund mit einem Umfang 70km. Mit dem Gipfel bei 1700 m kommt da eine bachtliche Steigung zustande (10 km Radius macht eine durchschnittliche Steigung von 17% bis zum Gipfel).
Die Busreise läuft typisch japanisch: Aussteigen, knapp 30 Minutes für Fotos, Einsteigen, Weiterfahren. Aber der Reihe nach … Beim Frühstück frage ich das Personal, was man so auf Rishiri machen kann. Die Antwort war: Eine Busrundreise. Warum hat mich diese Antwort jetzt nicht überrascht? Ich werde zum Fähranleger gefahren. Dort starten die Reisebusse. Der Fahrer hilft mir beim Buchen. Ich merke, die Reiseführerin ist etwas verunsichert. Aber das wird schon. Ich will ja keine Übersetzung. Ich will nur eine Tour zu den wichtigen Orten der Insel.
Es geht los. Schon nach wenigen Metern beginnt die Steigung. Gut, daß ich nicht auf die Idee kam, ein Fahrrad zu mieten. Nach kurzer Zeit stoppt der Bus auf einem Parkplatz. Wir steigen aus und überqueren eine kleine Brücke. Es wird kurz erzählt, was gleich zu sehen ist. Dem Verhalten der Japaner nach ein wichtiges Schild.
Rishiri 2
Alle stellen sich neben besagtem Schild auf und lassen sich fotografieren. Auf diesem steht so etwas wie „Dies ist Tümpel XY“. Ich interessiere mich mehr für den Tümpel XY. Ein Postkartenmotiv. Der Wald reicht fast bis ans Wasser ran. In der Mitte eine kleine Insel aus Schilf. Dahinter ist der Mt. Rishiri zu sehen, der sich mittlerweile aus den Wolken befreit hat. Eine Restwolke schwebt in respektvollem Abstand über ihm. Sieht fast aus wie ein Ufo. Wir haben 20 Minuten bis der Bus weiterfährt. Soviel habe ich verstanden. Die Zeit reicht, um den See einmal zu umrunden und noch ein paar Motive zu finden. Die Japaner sind beschäftigt. Ich habe meine Ruhe.
Weiter gehts. Während der Fahrt verstehe ich nichts. Aber es hilft schon, wenn man der Reiseleiterin auf Japanisch klar machen kann, daß man die Sache mit der Abfahrtzeit verstanden hat. Nächster Stop ist noch ein See. Die Umgebung ist nicht ganz so dunkelgrün. Ein ganz andere Kulisse. Ich trenne mich wieder von der Gruppe. Zur Umrundung habe ich keine Zeit. Und so suche ich mir ein gemütliches Plätzchen am Wasser und genieße die Ruhe.
Nächster Stop ist irgendwo im Süden der Insel. Die Brandung brettert gegen die Felsen. Das Wasser spritzt mehrere Meter hoch. Als ich zu dicht ran gehe werde ich geduscht. Ich habe die Lacher auf meiner Seite, aber auch ein paar gute Fotos. Es geht weiter zu einem kleinen Museum (ohne englische Untertitel). Dann noch ein Stop an der Küste. Der Anblick erinnert hier ein wenig an die Ostsee. Danach geht es zurück nach Rishiri. Die Insel ist umrundet. Die Japaner verschwinden zu 90% auf der Fähre, die gleich ablegen wird.
Rishiri 3
Ich hingegen übe schon mal für meinen Banktag. Ich schnappe mir eine Dose „Sapporo Classic“ (die gibt es nur in Hokkaido) und wandere den kleinen Berg (etwa 90m) am Hafen hinauf. Hier oben steht ein kleiner Leuchtturm. Zum Glück. Denn zu diesem gibt es einen kleinen Trampelfpad. Von hier sind es nur noch ein paar Meter bis zum Gipfel. Viel Platz ist hier nicht. Nach etwa einem Meter in jede Richtung geht es steil bergab. Hm. Rauf war einfach. Runter sieht kniffeliger aus. Das sollen Probleme für später sein. Zuerst genieße ich die Ruhe, die Aussicht und besagtes Bier. Der Blick schweift rüber zu Reben und zurück nach Wakkanai; dann über den Hafen und am Mt. Rishiri vorbei über den Ort: Morgen, gestern, heute. Alles innerhalb von 360°.
Fazit: Ein durchschnittlicher Tag. Eine Erfahrung war definitiv die Busreise. Ich werde die Japaner nie verstehen. Aber das war wirklich ein Rishiri Crashkurs.
Kanji-Lexikon: Rishiri 利尻島, Hokkaido 北海道, Mt.Rishiri 利尻山, Fujizan 富士山
Info: Das Schriftzeichen 山 wird „yama“ gelesen (kun-Leseung), in zusammengesetzten Wörten aber „-san“ (on-Lesung). Die Aussprache des „s“ ist dabei scharf, dem deutschen Z (Zeppelin) ähnlich. Das japanische „z“ wird dagegen eher wie ein deutsches S (Suppe) gesprochen. Die Aussprache von Fujisan ist also „Fudschizan“.