Schlagwort-Archive: Goryokaku

Bando; Tempel

Nach dem Regen von gestern sind die Klamotten immer noch patschnass. Ich muss den Koffer komplett umpacken. Und alles morgens um 6 Uhr. Es wird etwas hektisch. Die Taxifahrt zum Hafen dauert länger als ich dachte. Ich habe die Strecke auf der Karte unterschätzt; und auch die Anzahl von Ampeln. 25 Minuten vor dem Ablegen der Fähre bin ich am Terminal.

Leider verweigert der Automat mein nasses Geld und blockiert. Der Angestellte, muss das System zwei Mal komplett neu starten. 10 Minuten vor dem Ablegen kann mich mich mit meinen Koffer in Richtung Fähre aufmachen. Es sind noch ein paar hundert Meter.

Das Schiff legt pünktlich ab. Die Fahrt selbst ist unspektakulär. Das Wetter ist gemischt. Sonne, Wolken, nicht zu heiß (Dank dem Seewind) und kein Regen. Hinter mir ist Wakkanai. Zur rechten ist die Einfahrt in die Bucht von Osaka und die Küste von Awajishima. Voraus und noch nicht in Sicht ist Tokoshima. Und links? Wasser. Im Prinzip ist es der Stille Ozean. Das nächste Land in Richtung Süden ist erst wieder in Indonesien und Papa-Neuguinea. Aber soviel zur Erdkunde.

Nach dem Anlegen steige ich in den Bus zum Bahnhof. Ein Fehler. Oder besser eine Fehlkalkulation. Der Bus hält an jeder Milchkanne. Es sind nur 3km zum Bahnhof, aber der Bus braucht knapp 30 Minuten. Mein Zeitplan für „Bando und Naruto“ ist in Gefahr.

Fehlkalkulation 2: Angekommen in Ikenotani stelle ich fest. Es gibt keine Coin-Locker. Es gibt nicht mal einen richtigen Bahnhof. Es ist eine Weiche mit zwei  Bahnsteigen. Ich werde meine Koffer nicht los. Weiter nach Bando. Hier ist der erste Tempel der 88-Tempel-Pilgertour: Ryozenji. Aber kein Coin-Locker. Damit hat sich meine Ansatz, die ersten drei Tempel aufzusuchen zerschlagen.

Um mindestens Tempel 1 zu besuchen, nehme ich alles mit. Es ist nicht weit, aber ich brauche auf halber Strecke eine Pause.  Der Tempel ist klein und bietet eine paar nette Motive. Die Halle mit den Laternen war im Reiseführer erwähnt. Zu recht. Dann beginnt ein Nieselregen. Nicht falsch. Das Wetter ist drückend schwül. Der Nieselregen kühlt.

Auf dem Weg zum Bahnhof wandelt sich der Nieselregen in eine Wasserwand. Das wars. Ich bin patschnass. Kurz vor dem Bahnhof reicht mir eine ältere Dame einen Regenschirm. Sie besteht darauf.

Fehlkalkulation 3: Bis zum nächsten Zug nach Ikenotani sind es 20 Minuten. Könnte schlimmer kommen. In Ikenotani sind es dann aber 70 Minuten bis zum nächsten Zug nach Naruto. Damit hatte ich nicht gerechnet. Also zurück nach Tokushima. Vielleicht kann ich die Koffer dort parken. Der Zug kommt zwar auch erst in in 30 Minuten, aber ok.

Fehlkalkulation 4: Heute lerne ich den Local zu hassen. Von Ikenotani sind es nur 6 Stationen nach Tokushima. Der Zug läßt aber auf der einspurigen Strecke so ziemlich jeden Gegenverkehr durch. Am Ende sind es fast 50 Minuten Fahrzeit. Damit hatte ich nicht gerechnet.

Naruto ist außer Reichweite. Ich bin patschnass. Der Koffer, obwohl realtiv wasserdicht, konnte dem Woklenbruch nicht vollständig standhalten. Dazu die ganzen nassen Klamotten von gestern. Hier in Tokushima gibt es Coin-Locker, aber alle sind belegt.

Erst einmal Ramen. Ja, das hilft. Heißes Ramen. Und nun? Rein theoretisch würde ich einen Zug nach Naruto kriegen und ein Coin Locker ist auch frei. Aber … Vom Bahnhof Naruto ist es noch eine gute Strecke bis zu den Strudeln. Ein Lauf gegen die Dämmerung und das Maximum der Strömung ist dann vorbei. Bevor ich Fehlkalkulation 5 stolpere, breche ich den heutigen Tag ab.

Ich kann auch Fehlkalkulation 6 abwehren. Mein nächstes Hotel ist in Kotohira und nicht Matsuyama. Gut, dass ich noch mal auf meinen Plan schaue, als ich den Sitzplan reserviere. Es sind 3 Stunden Streckenunterschied.

Gegen 17 Uhr verlasse ich Tokushima und lasse diesen Chaostag hinter mir. Noch mal einen Blick auf Ikenotani. Wir werden uns wiedersehen und dann gewinne ich. Der Zug fähert in die Dämmerung. In Takamatsu muss ich umsteigen. Da es ein Kopfbahnhof ist, entfallen die Treppen. Praktisch. Weiter geht es es, vorbei an der Seto-Ohashi-Brücke und Marugame. Hinter Tadotsu biegt der Zug von der Küstenstrecke ab ins Inland.

In Kotohira steige ich aus. Der Bahnhof ist groß. Coin-Locker. Souvenir-Laden. Es regnet wieder, also nehme ich ein Taxi. Nach dem Check-in im Hotel, erst einmal Onsen, um richtig durchzuwärmen. Es folgt ein kleiner Stadtrundgang In Yukata. Der Ort ist klein und hier ist um diese Uhrzeit nichts los. Ich finde nahe zum Hotel ein Izakaya fürs Abendessen. Ein interessanter Platz. Hier verirren sich bestimmt nur wenige Touristen hin.

Zum Abschluss des Tages: Nachrichten. Hier die Erklärung für das Wetter. Taifun 16 ist im Anmarsch und schiebt eine riesigen Regenfront vor sich her. Der Taifun wird morgen Shikoku (und auch Kotohira) treffen. Was für ein Glück, dass die Fährüberfahrt heute war. Der Plan für morgen ist aber in Gefahr. Dieser Taifun 16 ist wohl eine ganz andere Liga also sein Vorgänger. Es gibt Vergleiche zu Taifun 21 aus 2004. Den kenne ich. Der war massiv und hat mich damals ausgebremst und Teile von Miyajima platt gemacht.

Erkenntnis des Tages: Fürchte den Wan-Man-Zug auf eingleisigen Strecken. Er ist zwar pünktlich aber unglaublich langsam.

Hakodate (der Abschluß)

Hakodate ist der letzte Stop auf Hokkaido. Von hier aus geht es morgen mit dem Hokutosei zurück nach Tokyo. Die Anreise von  Sounkyo aus dauert den ganzen Tag. Und so checke ich erst um 19 Uhr im La Vista ein. Das ist nur einfach ein Hotel. Das ist ein „Resort Spa“. Die Optik ist allerste Klasse. Da kommt das Raddisson nicht gegen an.

Doch bevor ich den „Spa“-Anteil genieße, erst mal mit der Seilbahn rauf auf den Mt.Hakodate. Hakodate selbst hat die Form eines Wassertropfen, der sich gerade vom Wasserhahn löst. Am unteren Ende ist Mt.Hakodate; natürlich mit Aussichtsplatform. Das sollte man nicht verpassen. Während sich Tokyo bis Horizont ausbreitet und Sapporo  irgendwo am Horizont abgegrenzt war, hat Hakodate diesen Kontrast von hell erleuchteter Stadt und Meer zu beiden Seiten.

Die Seilbahn ist 15 Minuten von Hotel weg. Der Fußweg führt durch das nächtliche Motomachi. Mit der Straßenbahn ist Hakodate irgendwie so gar nicht, wie ich japanische Städte in Erinnerung habe. Es ist eher ein bischen wie in Dresden. Nach dem kurzen Fußmarsch folgt der Spa-Teil. Wie immer sehr entspannend.

Rundgang durch Hakodate

Um Hakodate zu erkunden reicht ein Tag, wenn man die Museen ausläßt. Hakodate hat genau zwei Schwerpunkte: Motomachi (Altstadtbereich am Mt.Hakodate) und die ehemalige Festungsanlage Goryokaku. Von dieser ersten im westlichen Stil erbautgen Festung stehen nur noch die Grundmauern. Der Rest ist ein Park zum Wandern. Pärchen mieten sich Boote und rudern den Burggraben entlang. Hier zeigt sich sehr schön, daß nicht alle rudern können. Ob auch der (peinliche) Versuch als Liebesbeweis zählt, müssen die Japaner unter sich ausmachen. Der Park ist gazn nett zum Entspannen.

Motomachi hat aber mehr zu bieten und sollte auf der Liste ganz oben stehen. Es gibt hier fünf christliche Kirchen, die zwischen Tempeln und Schreinen stehen. Zudem gibt es sehr viele westlich (englisch) ausehende Häuser. Der historische Hintergrund ist schnell erklärt. Hakodate war neben Yokohama und Nagasaki einer der ersten Häfen, die 1867 für ausländische Schiffe geöffnet wurden.

Der besondere Reiz Hakodates geht auch von den vielen Bäumen aus, den steilen ansteigenden Querstraßen (ein wenig wie in San Francisco) und der Straßenbahn aus, die hier fährt. Für den Abend ist der Bereich der alten Backsteinlagerhäuser zu empfehlen. Sie wurden allensamt in Kneipen und Restorants umfunktioniert.  Mein Vorteil besteht darin, daß die Lagerhäuser gleich neben dem La Vista sind, wo mein Gepäck lagert.

Um 20 Uhr dann ein letzter Besuch in der Hotelbar in der 12. Etage (11.OG). Die aber erst um 21 Uhr öffnet. Blöd. Um 21:30 muß am Bahnhof sein. Ich erwähne das Dilemma kurz an der Rezeption. Es folgt ein  Telefonat und die Antwort „The bar is now open for you, Sir.“ Das ist Service. In der Bar ist alles vom Feinsten: dunkle Hölzer, Jazz, und ein Barkeeper wie aus dem Lexikon: perfekt sitzender schwarzer Anzug mit Fliege, nach hinten gekämmte Haare und telepathische Fähigkeiten. In dem Moment, an dem man ans bestellen denkt, ist er auch schon da. Inklusive der Anrede „Sir“.

Bei den Preisen erlaube ich mir einen 15 Jahren alten Single Cask Whiskey. Schon wieder Whiskey. Aber in diesem Umfeld trinkt man keine Clubsoda. Um 21:30 stehe ich dann am Bahnhof und warte auf den Hokutosei …


Fazit: Hakodate gehört zum Pflichtprogramm für Hokkaidoreisende. Motomachi und ein nächtlicher Besuch auf Mt.Hakodate sind Pflicht. Die Festung Goryokaku ist sehenswert aber optional, wenn man nur einen Tag in Hakodate verweilt.


Kanji-Lexikon: Hakodate 函館, Hokkaido 北海道, Hokutosei 北斗星, Tokyo 東京, Sounkyo 層雲峡, Mt.Hakodate 函館山, Mt.Hakodate Ropeway 函館山ロープウェイ, Goryokaku 五稜郭, Yokohama 横浜, Nagasaki 長崎,


Nachtrag März  2001: Erbeben und Tsunami den Hafenbereich getroffen. Die alten Lagerhäuser, die jetzt Läden und Restos behebergen, sind überflutet und beschädigt. — Wenn jemand Infos über den aktuellen Zustand hat, kann er mir posten.