Die Eckdaten stehen seit vorgestern: 4 Gipfel, 20km, min. 1000 Höhenunterschiede, Steigung durchschnittlich 10%, 10 Stunden plus eine Stunde Reserve. Ich muß um 6 Uhr los. Nach Seilbahn und Sessellift stehe ich um 6:37 am Eingang des Daizetsusan Nationalparks. Und los geht es… Ich habe 10 Stunden Wanderung vor mir. (Nachtrag: Wenn es schief geht, dann kann ich am Asahidake abbrechen und mit dem Bus zurück.)
Kurodake (1984m)
Der erste Abschnitt ist 1.7 km lang und die hat 464 Höhenmeter; rauf zum Kurodake. Man muß kein Diplommathematiker sein, um sich die Steigung auszumalen. Das ganze multipliziert mit dem Japanfaktor ergibt eine 1,7 km lange Treppe aus Steinen, Holzbalken und losem Geröll. Wir haben 12°C und bereits nach 200m öle ich wie eine Sardine. Fix und fertig erreiche ich ich das Schild „Noch 1,3 km bis zum Gipfel“ und ich stelle mir die Frage, ob die hier die gleichen Kilometer meinen wie ich. Am Gipfel des Kurodake angekommen genieße ich erst einmal die Aussicht, bevor ich mich an den Abstieg zum Kurodake Basislager wage. Es geht zwar bergab, man sollte aber die Schotterpiste nicht unterschätzen. Man rutscht hier ganz schnell weg und die Reise ist zu Ende bevor sie beginnt (und einen Rettungswagen gibt es hier nicht).
Hokkaidake (2149m)
Am Basislager teilt sich der Weg in Nord- und Südroute. Ich entscheide mich für letztere und die Wanderung führt weiter bergab. Im Tal angekommen kreuzen zwei Wildbäche den Weg. Danach geht es wieder bergauf; Die 100m, die es eben ins Tal ging plus 212m Zugabe, vorbei an Eisflächen aus dem letzten Winter. Auf 2149m angekommen heißt das dann Hokkaidake. Es sind die gleichen Kanji wie Hokkaido. Mein Timing ist gut. Aus meiner Reservestunde sind 1,5 geworden.
Mamiyadake (2185m)
Und weiter geht es zum… gute Frage kann die Kanjis nicht entziffern. (Nachtrag: Mamiyadake) Wieder knapp 100m runter und 150m wieder rauf. Dieser Weg ist schon fieser. Er besteht fast nur noch aus losem Geröll. Der Weg ist durch gelbe Farbe auf den Felsen gekennzeichnet.
Asahidake (2291m)
Der Kracher kommt aber jetzt. Der Weg zum Asahidake, ein aktiver Vulkan; sollte einen schon aufhorchen lassen. Zuerst einmal wieder bergab. War ja klar. Und dann rauf von etwa 2100 auf 2291m. Aber wie? Die Steigung ist totaler Wahnsinn. Über 100%. Mit jeden Schritt bergauf rutscht man samt Geröll einen halben Schritt wieder runter. Das lose Geröll ist zum Teil sehr leichtes Vulkangestein, das sofort anfängt wegzurutschen. Ich habe Mühe nach oben zu kommen; muß alle 10 Meter eine Pause einlegen. Der Weg nach oben kostet mich endlose 40 Minuten und wirft die Frage auf, wie ich das heil nach unten schaffen soll. Ich muß ja auch noch zurück. Jetzt erst mal Aussicht genießen, Gipfelkreuz (ein besser Gipfelpfahl) fotografieren und Pause.
Mamiyadake (2185m)
Dann der Abstieg. Ich bin sehr gut im Zeitplan und die Kondition macht mit, noch. Als verfwerfe ich das Abbruchszenarion und wagen den Rückweg. Fuß vor Fuß. Bin glaube ich langsamer als beim Aufstieg. Der Arbeitsschweiß ist dem Angstschweiß gewichen. Mit ein paar Wegrutschern komme ich unten an. Nochmal mache ich das bestimmt nicht. Und rauf zum Abzweigpunkt am Mamiyadake. Obwohl der Anstieg im Vergleich zu bisher eher Durchschnitt ist, bin ich kaputt. So langsam machen sich de ganzen Höhenmeter und die 10 Kilometer bemerkbar. Aber da muß ich jetzt durch. Für den Rückweg wähle ich die Nordroute. Sei ist etwas länger, aber ich habe knapp 45 Zeit gut gemacht (und ja noch die 1 Stunde Reserve). Ein Blick vor (bis zum Kurodake) und zurück (zum Asahidake) zeigt mit die bisher erbrachte Leistung und, daß ich Glück habe. Hokkaidake und Asahidake sind von Wolken umringt. Bei mir ist Sonnenschein; Noch! Auch um die Spitze des Kurodake ziehen nebelige Schwaden.
Nakadake (2113m) und Hokuchindake
Der Weg führt mich über den Nakadake und am Hokuchindake vorbei. Er liegt abseits und benötigt nach Karte 50 Minuten für beide Richtungen. Zeitlich machbar, aber meine Beine brennen. Und der letzte Aufstieg war schon kniffelig. Ich muß noch zum Kurodake rauf. Ich entscheide mich, den Hokuchindake links des Weges liegen zu lassen. Ich will meine Kondition nicht auf die Probe stellen.
Kaigetsudake (1938m)
Gegen 14:50 Uhr bin ich am Basislager Kurodake. Obwohl der Anstieg zum Gipfel und die 2,3km-Treppe noch vor mir liegen, erklimme ich ganz schnell diesen kleinen Hügel rechts neben dem Lager. Sind nur (!) 90m Höhenmeter. Auf dem Weg runter werde ich von einer Wolke eingeholt und erreiche das Lager im Nebel. Kein Spaß; der Weg ist schließlich nur mit farbigen Steinen markiert, die teilweise mehr als sichtweite auseinanderliegen.
Kurodake (1984m) und Seilbahn
Um 15:20 das Finale: Kurodake, Abstieg und dann dekadent per Seilbahn ins Tal. Der Aufstieg raubt mir die letzte Kraft. Die Beine streiken. Immer wieder muß ich pausieren. Und diese Treppe entpuppt sich als Abstieg in die Hölle. Zum einen führt der Weg runter in die Wolken. Zum anderen war diese Strecke schon beim Aufstieg unerträglich lang. Man läuft und läuft und läuft, nur um dann auf dem Schild „Noch 1,8km“ zu lesen. Bergab geht die Mischung als Felsen und 40cm Stufen aus Holz gewaltig auf die Knochen. Schlimmer als bei Aufstieg. Ein Vergleich ist schwer zu ziehen. Stellt euch vor, ihr nehmt 2 Stufen auf einmal, die so kurz sind wie eine Stufe. Und dann könnt ihr euch nicht einmal sicher sein, ob ihr nicht wegrutscht, wenn ihr das Gewicht auf den Fuß verlagert. Anstrengend und riskant zugleich. Für den Abstieg brauche ich über eine Stunde. Um 16:40 Uhr melde ich mich an der Rangerstation als zurück.
Jetzt ist aber wirklich Schluß. Bin so platt, daß ich es nur mit Mühe und Hilfe des Personals aus dem Sessellift schaffe. Ich nehme die vorletzte Seilbahn um 17:15. Am Ryokan steuere ich gleich auf das Onsen zu. Meine Klamotten sind durchgeschwitzt und staubig (Danke, Asahidake). Ich bin überglücklich die Strecke geschafft zu haben und verbringe abwechselnd den Rest des Abends mit Essen, Baden in angenehmen 41 Grad und dem Massagesessel. Diese drei Dinge machen wirklich glücklich nach 20km Fußmarsch und kumulierten 1500 Höhenmetern (die genaue zahl muß ich mal ergooglen). Dieser Tag war definitiv die Spitze der Reise.
Nachtrag: Es gibt auch noch die „Große Traverse“. Sie beinhaltet meine Strecke (in einfacher Richtung) und 4 weitere Gipfel. Sie ist 56km lang und es sind 5 Tage im Reiseführer angesetzt. Nachdem, was ich erlaufen habe, ist das keine Sache für Flipflop-Träger.
Die Route: Rangerstation (1700 m) -> 黒岳 (1,984 m) -> 北海岳 (2,149 m) -> 間宮岳 (2185 m) -> 旭岳 (2,291 m) -> und zurück -> 間宮岳 (2185 m) -> 中岳 (2113 m) -> vorbei am 北鎮岳 -> Abstecher zum 桂月岳 (1938m) -> 黒岳 (1,984 m) -> RangerStation (1700 m) — Die Gipel im Daisetsusan sind hier: wikipedia-Link
Kanji-Lexikon: Daizetsusan Nationalparks 大雪山国立公園, Kanji 漢字, Hokkaido 北海道, Ryokan 旅館, Kurodake 黒岳, Hokkaidake 北海岳, Mamiyadake 間宮岳, Asahidake 旭岳, Nakadake 中岳, Hokuchindake 北鎮岳, Kaigetsudake 桂月岳, Onsen 温泉, Seilbahn (Daisetsuzan Sōunkyō Kurodake Ropeway) 大雪山層雲峡・黒岳ロープウェイ