Heute ist ein Reservetag. Da ich Hiroshima und Miyajima eingentlich komplett durch habe bleibt die Farge was tun. In meiner Liste findet sich der Ort Kurashiki. Mit Shinkansen und umsteigen sind es etwa 90 Minuten fahrt. Zuvor wird erst einmal ausgiebig gefrühstückt. Ich hatte bisher nicht erwähnt, daß das Restaurant des Hotels den Namen „Berge“ hat. Auch sonst gibt es sehr viel Deutsches. An der Wand hängen Zitate und Gedichte von Geothe und Schiller.
In Kurashiki sind es etwa 1km von Bahnhof zur Altstadt. Es fährt auch ein Bus, aber die Strecke kann man nun wirklich laufen. Ich biege nach links ab. Bis hierher war die Stadt wie jede andere Stadt in Japan auch. Das ändert sich mit der Kurve. Hier quasi in zweiter Reihe stehen alte japanische Häuser mit weißen Wänden und schwarzen Holzbalken. Die Straße ist geplastert und es gibt keinen Durchgangsverkehr. Auf der anderen Straßenseite fließt ein Fluß. Am Ufer stehen Birken. Was für eine Kombination von Farben: blauer Himmel, das grün der Birken, die weißen Häuser. Es sei erwähnt, daß das grün der Bäume ganz hell ist, so wie bei uns im Frühling. Eine weitere Straße und Häuser sind auch auf der anderen Seite des Flusses. Mehrere Brücken verbinden beide Seiten.
http://www.youtube.com/watch?v=REXI1C1QEKE
Die Häuser sind Keramikläden oder Restaurants. Diese Gegend ist für ihre Keramik (Bizen) und Buchweizennudeln bekannt. Ich kaufe zwei Teebecher. Wer hat schon echte Bizen-Keramik? Dazu noch zwei Tatamiuntersetzer.
Hinter dem Altstadtviertel steht der Achi Schrein. Wie so oft auf einem Hügel, vor den die Japaner Stufen gesetzt haben. Ich muß sagen, man gewöhnt sich dran. Das Schreingelände ist von Bäumen umgeben. Ich merke einen Abnutzungseffekt. Will sagen, der Schrein haut mich nicht vom Hocker, obwohl er sehr hübsch ist.
Es wird Zeit für die Mittagspause. Ich wähle eines der Restaurants am Fluß. Es gibt eine Brühe mit Fleisch. Ich vergleich sie mit Hühnerbrühe, deren Geschmack einem bekannt ist. Nun etwas Japan dazu. Immer noch lecker und so schön anders. Die Sobanudeln kommen auf einem kleinen Holzrost. Argh. Kalt. Das hatte ich vergessen. Ich hatte es im Reiseführer gelesen. Die Nudeln werden im Sommer kalt serviert. Immerhin sind es Buchweizennudeln. Die haben einen anderen Geschmack. Trotzdem, kalt? Jetzt ist es zu spät.
Während ich die Suppe schlürfe und die Nudeln runterwolfe, schaue ich dem Koch bei der Arbeit zu. Die Nudeln sind handgefertigt. Der Teig wird zuerst geknetet, dann flach ausgerollt. Sehr flach. Eine Ladung Mehl hinzu, dann wird der lange Teig gefaltet, wieder flach gerollt und wieder gefaltet. Wie die Lagen eines Katana entstehen so mehrer Lagen Nudelteig, die durch das Mehl nicht verkleben. Dann kommt ein sehr großes Messer und ein Holzblock zum Einsatz. Zuerst werden die Ende abgetrennt, danach der Teigblock in 2mm breite Streifen geschnitten. Jeder Streifen hat geschätzt 32 Lagen. Mit einem Schnitt entstehen so 32 Nudeln mit rechteckigem Querschnitt. Man ist der Junge schnell. tack-tack-tack-tack. hunderte Nudeln innerhalb von Sekunden. Der Holzblock dient als Anschlag für das Messer. Die Finger will man bei dem Tempo nicht in der Nähe haben.
Danach noch ein abschließender Rundgang und der Rückweg. Es ist erstaunlich, wie die Zeit vergangen ist. Ich hatte mir aber auch Zeit gelassen. Zurück in Hiroshima kaufe ich jetzt erst einmal das Shogibrett und einen Satz Steine.
I Robot
Für den Abend war das Schreinfest geplant. Das war aber schon um 17 Uhr zu Ende. Ups. Und nun? Erst mal ins Hotel etwas Wärmeres anziehen. Es sind nur noch 22 Grad. Arschkalt. Kein Witz. Nach 10 Tagen bei knapp 30 Grad zieht man sich einen Pullover an. Auf dem Weg aus dem Hotel hinaus kollidiere ich mit einer Hochzeitsgesellschaft, die im 3. OG gefeiert haben. Benahe werden ich von dem Mob mit in den Reisebus gespült. Ich schaffe es gerade noch so.
Ich schlendere planlos durch die Partyzone von Hiroshima. Und lerne eine wichtige Sache: Japan ist dreidimensional. Nur weil im Erdgeschoß ein Cafe ist, muß das nicht für den ersten Stock gelten. Was in einem Gebäude gestapelt ist, kann kunterbunt gemischt sein: Unten Restaurant, Mitte Hostessenbar, Oben Modegeschäft. Und gleich nebenan, ein Kino. Im 4.OG. Völlig unscheinbar. Ich habe es nur durch das Plaket bemerkt. Es läuft I-Robot. Warum nicht. Die Karte ist schnell gekauft. Als ich im Saal sitze fällt mir ein Detail auf: In welcher Sprache ist der Film? Schnell noch mal raus. Ich frage am Schalter nach. Wie so viele Kinofilme ist er in Englisch mit Untertiteln. Glück gehabt.
Nach dem Kino geht es noch ins KoHiKan. Während ich den Bericht schreibe, läuft im Fernseher ER. In Japanisch. Klingt total schräg. Fazit: Ein gelungener Tag, auch wenn er etwas unausgelastet war. Kurashiki hat bei mir wieder so richtig Urlaubsstimmer verursacht.