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noch 2 Tage – Underground, Shibuya, Roppongi

Der heutige Plan wurde etwas durcheinandergewürfelt. Auf den Wegen durch den Tokyo Underground habe ich die Zeit verloren. Außerdem musste ich noch die Gegenlichtblende im Imperial Hotel abholen. Am Ende fehlten mir zwei Stunden.

Sony Park und Kabukiza Underground

Der ersten Teil des heutigen Tages ist wieder dem Tokyo Underground gewidmet. An der Station Ginza wurde ein Gebäude abgerissen. Die Kelleretagen existiert noch. Der Neubau beginnt erst nächstes Jahr. Also hat man dort einen unterirdischen Park eingerichtet. Es ist mehr wie ein Eventsraum. Auf der einen Ebene steht ein Klavier. Darüber gibt es einen Hydropond in gedimmten Licht. Wasserplätschern aus dem Lautsprecher, dazu Lichtspiele. Dieser Hydropond wirkt so surreal.

Auch wenn hier keine Bäume wachsen und überall Betonwände sind, vergisst man, dass man gerade mehrere Meter unter der Erdoberfläche ist. Und der Ort ist genau entspannend wie in Spaziergang im Park.

Ein Station weiter gibt es unter dem neu gebauten Kabukiza eine riesige Shopping Mall. Auch hier kommt nicht auf die Idee, dass man auf der Ebene der U-Bahn unterwegs ist.

Shibuya (VNV-Projekt)

Es wird Zeit für Sonnenlicht, daher verlege ich – nachdem ich die Sonnenblende abgeholt habe – nach Shibuya, um das VNV-Projekt fortzusetzen. Und ich muss feststellen, dass ich nach 2004 eigentlich niemals wieder wirklich in Shibuya war. An der berühmten Kreuzung ja. Aber heute betrete ich nach 15 Jahren endlich wieder Center Gai.

Auf halber Strecke durch die Fotopunkte sehe ich rechts Werbung für einen Ramenladen im Keller. Und ja, es wäre eine gute Zeit für Mittagessen. Jeder Sitz hat eine Blick auf die nackte Kellerwand. Und die Toilette ist im 4. Stock. Aber das Ramen ist genial. Es hat eine Hühnerbrühe als Basis, ein Novum. Es ist quasi Omas Hühnersuppe auf Sterioden.

Die letzten VNV-Fotos sind aus der Gegend von Love Hotel Hill. Und ja, rein optisch ist es fast wie die Reeperbahn. Auch heute hat das Projekt mir einen neuen Blick verschafft. Dieses Mal auf einen Stadtteil, den ich so noch nie besucht hatte. Den Shinjuku-Teil verschiebe ich auf den 2. Mai, damit ich bei Y&Sons shoppen kann.

Die „Baustelle des Tages“ geht übrigens an Shibuya-Eki. Der hat einen neuen Bahnsteig, der mehrere hundert Neter von den anderen Bahnsteigen entfernt ist. In anderen Ländern wäre das ein eigener Bahnhof.

Y&Sons

Die erste Wahl ist der Stoff und die Farbe. Gar nicht so einfach, wenn man nur die Ballen vor sich hat und sich den fertigen Kimono vorstellen muss. Der Stoff für den Haori? Welchen Obi? Farbe und Stil des Haorihimo? Tabi? Geta? Das wird echt aufwendig. Parallel zu allen Entscheidungen steigen die Einträge auf der Rechnung.

Dann wird vermessen: Länge, Hals bis Schulterspitze und Schulterspitze bis Handgelenk. Das wars? Cool, Bauchumfang ist nicht wichtig. Der Herr mit dem Maßband stellt fest, dass meine Ärme länger sind als die Stoffballen breit. Das Problem ist lösbar; gegen den Einwurf weiterer Münzen. Nach knapp zwei Stunden ist alles notiert und von meiner Kreditkarte wurde ein Betrag abgehobelt, so dass sie jetzt durchsichtig ist.

Egal. Ich wollte so einen Kimono schon seit Jahren. Ich bin bei meiner Wahl vorsichtig gewesen; konservativ; quasi ein dunkler Brioni statt Tommy Hilfiger; Ritz Carlton nicht Aida Clubschiff.

Roppongi Hill Mori Tower

Es ist 17 Uhr und ich starte mit Stativ bewaffnet zum Mori Tower in Roppongi Hill (es gibt da mehrere Mori Tower in Tokyo). Thomas ist seit ein paar Stunden in Japan. Und das Sky Deck ist der vereinbarte Treffpunkt.

Allerdings habe ich nicht mit der irre langen Warteschlange gerechnet; 30 Minuten, bis ich am Fahrstuhl bin. Warum das so ist, entdecke ich oben: eine Pixar-Ausstellung. Es ist aber genug Zeit für Fotos. Es dauert etwas, bis Thomas und ich uns finden, aber wir finden uns.

Das Skydeck darf weder mit Stativ, nach mit zweitem Objektiv, Rücksack oder Tasche betreten werden. Das nenne ich mal Paranoia und eine Gelegenheit 300yen für einen Coin Locker abzugreifen. Ich muss selbst meinen Gürtel mit der Objektivtasche abgeben. Das sind eine Menge Minuspunkte für den Mori Tower.

Für den Ausklang des Tages und den Auftakt von Thomas Urlaub fahren wir nach Yurakucho. Wie ich erst im Nachgang feststelle, habe ich den falschen U-Bahn-Ausgang gewählt, stehe auf der falschen Seite der Brücke und alles ist um 180° gedreht. Statt runter nach Shimbashi gehen wir rauf nach Tokyo. Ok. Wir finden einen Ort für ein Abendessen. Vielleicht sollte ich wirklich ein Kartenplotter kaufen. Ein Smartphone auf 24/7-standby ist keine Option. Ich bin kein Smombi und ich bin im Urlaub.

Für mich heißt das, dass ich 2020 noch einen Anlauf für diesen Steckenabschnitt benötige. NHKs „Fun under rails“ muss sich noch ein Jahr gedulden.

 

Tokyo / Fußmarsch am Tag 1 (Teil 2)

Ich muß nur noch der Meiji Dori folgen. Es geht bergab und es ist nicht mehr so heiß. Aber der Tag hat seinen Tribut gefordert. Ich bin platt. Rechts ein Tempel. Ein letzter Stop auf der Karte bevor ich in Shibuya bin. Die Straße geht jetzt bergab und endet direkt an der Kreuzung mit den beiden großen Bildschirmen.

Shibuya. Die Kreuzung ist wie im Fernsehen. Zwei riesige Bildschirme. Beide mit Ton. Es ist laut, bunt, chaotisch. Kein Wunder, daß dies zum Inbegriff, zum Wahrzeichen des modernen Tokyo wurde. Shibuya ist ein Amusement District. Kneipen, Cafes, Spielhallen, Rotlichtbezirk. Einzig den Love Hotel Hill finde ich nicht. Oder ich bin dran vorbei ohne es zu merken. Überall junge Japaner, die mit Handzetteln für Kneipen mit „Service Charge“ werben. Andere stehen mit großen Fahnen und Megaphon auf der Straße; Sonderangebote bei Elektronladen nebenan. Fast jede Kneipe hat eine CD-Player auf der Straße für Beschallung, also für die Beschallung der Straße. Wow. Es ist laut und so viele Leute. Die Straße ist voll wie in Lübeck Diskotheken zur Spitzenzeit. Noch lauter und noch heller wird es, wenn man einen Pachinko-Laden passiert. Diese japanische Glücksspielvariante wird sich einem Europäer nie erschließen. Man wirft kleine Kugeln in ein Gerät, dort fallen sie dann runter, kollidieren mit Hindernissen und wenn sie im richtigen Loch verschwinden, gibt es noch mehr kugeln. Ich hatte als Kind so etwa. Aus Holz. Ich wage es nicht hinein zu gehen. Lautstärke und Lichteffekte sind kurz vor der Auslösung epileptisher Anfälle.

Alles konzentriert sich um den Bahnhof. In Shibuya Eki (Eki = Bahnhof) kreuzen sich mehrere Bahn- und U-Bahn-Linien. Er ist das Zentrum. So wie es aussieht hat Tokyo nicht ein Stadtzentrum, sondern mehrere. Jeder große Bahnhof bildet ein Zentrum.

Das Publikum ist in Shibuya ist jung. Ich sehe jetzt um 19 Uhr Jugendliche in Schuluniform. Waren die noch nicht zu Hause oder ist das ein Fashion Statement? Ich vermute: Die Freizeit wird in Bahnhofsnähe verbracht. Dazu die Business Men mit ihren dunklen Anzügen und Krawatte. Auf dem Weg nach Hause oder in die Kneipe. So wie es aussieht ist keiner in Tokyo um 19 Uhr zu Hause.

Um 21 Uhr immer noch das gleiche Bild. Ich trete langsam den Rückzug an. In der U-Bahn bestätigt sich meine Beobachtung von gestern: Schlafen, auf seine Schuhe schauen, Manga lesen oder ganz leise und hinter vorgehaltener Hand telefonieren. Es ist ruhig.

Schnappschüsse

Hier eine Reihe von Dingen, die mir aufgefallen sind. Ich konnte sie irgendwie nicht in den Text einbauen.

  • Feuerwehrautos — Sind die süß. Ich kannte diese kleinen japanischen Mini-Vans, aber daß dieses Prinzip auch auf Feuerwehrautos angewendet wird. Ich bin fast versucht den Gürtelclip an dem Wagen zu suchen. Staffelfahrzeug. Keine Ahnung wie die alle in das Auto passen.
  • Privatenwagen — gibt es nur in Extremen. Entweder diese Minihütten oder große Schlitten. Honda baut was, das auf dem Niveau eines 5er BMW spielt.
  • Motorroller — groß, Doppelsitz, oft getunt, daß die Heide wackelt.
  • Getränkeautomaten — überall. Es muß hunderte geben in Tokyo. Es ist unglaublich; und ein Segen bei diesem Wetter. Der Preis für eine Flasche liegt bei 100yen bis 150yen, also knapp 1€. Es gibt alles: Tee, Fruchtsaft, Cola, Engergydrinks. Ich habe bei diesem Wetter bestimmt schon 1000yen getrunken.
  • Tempel — Es gibt kleinste Tempel und Schreine an jeder Ecke. Meist sind sie etwas verteckt zwischen oder hinter 2 modernen (häßlichen) Häusern. Aber sie existieren noch.
  • Raum — Japaner sind Platzsparer. Jeder Quadratmeter wird irgendwie genutzt. Es gibt hier Geschäfte, die sind gerade mal groß genug für den Besitzer. Man kauft durch das offene Fenster.
  • Fußwege — sind schmal. Radfahrer nutzen die Fußwege. Die Häuser haben keine Vorgärten. Die Haustür ist quasi auf dem Gehweg.
  • Häuser — Viele Häuser haben einen Grundfläche von vielleicht 5x5m, sind dafür aber mehrere Etagen hoch.
  • Müll — wird mit Schiffen in die Tokyo Bucht gefahren und dort zu neuen Inseln aufgeschüttet. Das mit Inseln könnte ein Gerücht sein, das mit den Müllschiffen stimmt.
  • Taxi — Die Taxen haben automatische Türen. Man steigt hinten ein. Die Sitze haben Bezüge aus weißer Spitze. Sieht aus wie die gute Tischdecke von Oma. Aber das Taxi wirkt dadurch vornehmer. Der Faher trägt Anzug und Handschuhe. Einigen tragen sogar eine Chaffeurmütze. Aber es gibt so gut wie keine jungen Taxifahrer. Alle scheinen 50+ zu sein.

Fazit: Ich habe die Maßstäbe von Tokyo total unterschätzt. Das waren 20km. Morgen nehme ich die U-Bahn. Dafür, daß ich den ganzen Tag auf Achse war, habe ich wenig gesehen. Morgen muß ich das optimieren.