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der 2. Tag – kein Schreinfest, Shinjuku

Heute ist der letzte Tag in Tokyo und ich erfahren, dass übermorgen ein Empfang im Kaiserpalast ist, so wie zu Neujahr. Das glaube ich jetzt nicht. Super Timing. Das schlimme: Von Minakami aus sind es nur etwa drei Stunden. Es wäre theoretisch möglich, dafür nach Tokyo zurück zu fahren. Arghhhh.

Und wo wir bei Timing sind: Der heutige Tag beginnt mit den Goshuineinträgen von Hikawa Jinja (das Schreinbüro öffnet um 09:30 Uhr) und Hie Jinja (das Schreinbüro öffnet um 10:00 Uhr). Ich bin sehr gut in der Zeit und muss sogar warten. Wie etwa 10 weitere Leute, die schon so früh Schlange stehen. Es ist aber kein Vergleich zu gestern.

Auf dem Weg zum Hie Jinja fängt es an zu regnen. War ja klar. Der Regenschirm von gestern liegt im Hotel. Also muss ich einen neuen kaufen. Um 10 Uhr habe ich beide Goshiun. Jetzt fehlt nur noch das vom Kameida Tenjin und das kommt morgen.

Für 11:30 Uhr ist die Noh-Aufführung am Meiji Jingu angesetzt. Da schaffe ich vorher noch die Bilder für das VNV-Projekt südlich vom Bahnhof und in der 1-chome. Dann geht es mit der Yamanote nach Harajuku. Dieser Bahnhof erstaunt mich immer wieder. Im 2-Minuten-Takt werden hier hunderte Leute angespült und die Gänge sind dafür nicht wirklich ausgelegt. Es klappt nur, weil sich alle an die ungeschriebenen Regeln halten … und 5 Bahnmitarbeiter versuchen, das Ganze zu ordnen.

Treffpunkt mit Thomas ist der Südeingang zum Meiji Jingu. Allerdings ist die Aufführung wegen der Regengefahr in das Schreingebäude verlegt worden und man kann so gut wie nichts sehen. Da dies sicherlich auch für die anderen geplanten Aufführungen gilt, wird der Plan geändert. Jetzt habe ich genug Zeit, um das VNV-Projekt in Shinjuku abzuschließen.

Höhe Yodobashi Camera muss ich feststellen, dass 100% der Japaner online sind. Hier in der Straße stehen dutzende Japaner und alle starren auf ihr Smartphone. Alle. Wirklich alle. Ich bin wohl der einzige, der offline ist. Kurzer Blick. Ja, ich bin der einzige. Auch in der Nebenstraße gibt es nur Smombies.

Die VNV-Szenen sind allesamt schnell gefunden, auch die in Kabukicho. Eigentlich fehlen die Szenen in der Bahnstation, die ich nicht zuordnen kann und ich habe etwas Zeit übrig, bevor ich mich mit Thomas treffe. Ich schnappe mir die erste verfügbare Bar. Schon im Bezirk Nishi-Shinjuku hatte ich runde Füße; vom sich anbahnenden Sonnenbrand ganz zu schweigen. Endlich sitzen. Die Bar ist minimalistisch eingerichtet: Ein Trensen, ein paar Sessel. Das war es. Der Rest ist nackter Beton. Aber irgendwie ist das was da ist, vollkommen ausreichend.

Abendprogramm

Das Abendprogramm startet in Omoide Yokocho. Aber irgendwie hat sich das ganze hier in den letzten drei Jahren verändert. Und nicht zum Guten. Zum Einen sind zu viele Touristen hier, die nur schauen und im Weg stehen. Zum anderen ist dadurch der Ton und die Stimmung ruppiger geworden. Rein, Essen, Zahlen, Raus. Kann sein, dass es an der Uhrzeit liegt, aber irgendwie habe ich Omoide Yokocho etwas gemütlicher in Erinnerung. (Zum Glück habe ich mit Noren Gai perfekten Ersatz gefunden.)

Wir verlegen nach Kabukicho. Ohne es geplant zu haben sind wir Punkt 19 Uhr in der Godzilla Road, als das Monster zum Leben erwacht. Nach einem kurzer Abstecker zum Eingang des Robot Restaurants steuern wir das eigentliche Ziel an. Die Magic Bar; eine Bar in der Zaubertricks zum Programm gehören. Der erste Trick ist, die Adresse zu finden. Neben den Tricks am Tisch gibt es auch eine Show.

Die 3500yen sind ganz schon happig, aber es ist ein All-You-Can-Drink-In-90min-Plan. Gut, das Tempo des Kellners sorgt schon dafür, dass der Laden kein Minus macht. Andererseite kosten ein Bier gerne mal 600 bis 800yen. Nimmt man jetzt 3 Bier und etwa 1000yen für die Show ist es eigentlich ganz ok. Japan ist halt teuer.

Die Show ist ganz ok. Ich habe das Gefühl, dass viele hier das nur als Nebenjob machen. Ein paar Tricks sind leicht zu durchschauen, bei anderen ist das Palmieren oder Sleight of Hand nicht ganz sauber. Es gibt aber auch ein paar Tricks bei denen ich auf die Misdirection reinfalle. Alles in allem eine kurzweilige Unterhaltung.

Das Finale findet dann in Golden Gai statt. Und welcher Ort wäre besser geeignet, diesen durchgeknallten Straßenzug vorzustellen, als die Bar „Deathmatch in Hell“ [facebook][]; Heavy Metal und Horrorfilme. Was kann man daran nicht mögen.

In Anbetracht der noch vor uns stehenden Fahrzeiten beenden wir den Abend nicht zu spät. Außerdem muss ich den Koffer noch packen. Ich verlege morgen nach Minakami.

Waseda und der Yoyogi-Wahnsinn

Der heutige Tag beginnt am Nezu-Schrein. Der Nezu-Schrein ist für die Azaleenblüte bekannt. Ich erinnere mich an diesen langen Hang mit grünen Büschen. Am Uenopark vorbei, die breite Straße entlang … Wie war das noch? Auf halber Strecker ein Neubau. Das aus diesem Haufen Mikadostäbchen ein Haus werden soll, sehe ich noch nicht. Dann die Kreuzung, nach links, da ist er. Ganz ohne Karte. Und … Nichts Blüte, aber ich kann in Erfahrung bringen, daß die in 3-4 Wochen beginnt. Wenn das paßt, wäre das ein Traumabschluß dieser Reise.

Nezu Jinja

Weiter zum „Geheimtip“ Waseda. Die Touristenkarte ist nur eine Nährung an die Realität. U-Bahn, Campus, breite Straße, Fluß? Oder so ähnlich. Den Campus habe ich. April ist Beginn des Schuljahres bzw. des Semesters. Heute ist so was wie Erstsemesterbegrüßung. Alle „Freizeitgestaltungsprojekte“ präsentieren sich. Es ist bunt und laut. Ich stoppe für ein paar erfrischende Getränke und schaue dem Treiben ein wenig zu. Nun aber weiter, bevor ich mich noch irgendwo einschreibe.

Hinter der Uni die Straße und der Fluß; 10 unter mir, beidseitig mit Betonmauern eingegrenzt. Verwunderlich, daß sich Tokyo nicht auch über den Fluß erstreckt und er unterirdisch fließt. Links und rechts des Flusses steht ein Kirschbaum neben dem anderen. Leider ist ein Großteil der Blüte vorbei. Der Anblick ist toll. Vor einer Woche muß das der Hammer gewesen sein. Ich folge dem Flußlauf bis zu einer Kreuzung, die meine Gedanken zurück in die Hektik Tokyos bringt, die ich vergessen hatte. Kontrast.

Ich bin nahe Shinjuku, nächster Stop ist der Meiji-Schrein. Nordeingang, wie auf der ersten Reise; das Torii und der lange Weg durch den Wald. Tokyo ist ausgeblendet. Im Schrein laufen Vorbereitungen für eine Hochzeit. Gut positioniert, kann ich ein paar Fotos machen. Der Weg zum Yoyogi-Park führt an den Sakefässern vorbei … und den Weinfässern? Da schau an. Die Gaben an die Götter werden international.

Geheimtip Waseda und Yoyogi

Der Yoyogi-Park ist ein Park im westlichen Stil, aber: er ist das „Venice Beach“ von Tokyo. Am Eingang tummeln sich sonntags die Rockabilies, entlang der Straße promoten sich Jugendrockbands. Im Park heute ein Mischung aus Kirschblütenggenießern, Trommlern, Jongleuren, Capoera-Kämpfern … Man kann die Mischung nicht beschreiben. Man muß es sehen. Motto: Alles erlaubt außer spießig.

Japan ist das Land der Details! Heute im Programm: Kinderwagen für Hunde. Kein Scherz. Ein Kinderwagen für Tritthupen, inkl. Sichtfenster und Freßnapf. Arghh. Japan-Überdosis. Glück. Ein Gegenmittel schafft sich selbst eine Schneise: ein deutscher Schäferhund. Diese Baugröße scheint in Japan unbekannt zu sein, respektvoller Abstand ist die Folge. „That’s what I call a dog.“ Der Hund scheint es schneller verstanden zu haben als sein Herrchen, der etwas peinlich/entsetzt dreinblickt, als sein Hund meine Hand abschlabbert. In Japan eigentlich ein No-Go für Hunde.

Auf zum Shinjuku Gyoen. Der Eingang liegt an der JR-Chuo-Line. Den Yamanotering kennt jeder. Die Chuo kreuzt mittig in West-Ost-Richtung. Sie ist fast wichtiger als die Yamanote, wird aber gerne vergessen. Am Park Ernüchterung: Der Eingang ist zu. Argh. Die alte Tokyo-Falle: Die meisten Parks verlagen Eintritt UND sie schließen um 17 Uhr.

Meiji Jingu

Kein Problem: Hotel, Duschen, neue Akkus und dann zum Roppongi Hill/Mori Tower. Der Komplex wirkt riesig, obwohl er gar nicht so groß ist. Es sind diese verschachtetelten Ebenen und die Hanglage; keine Beuzgspunkte, keine rechten Winkel. Eine Ebene endet als Gallerie, eine andere bildet eine Brück auf die andere Seite des Innenhofes. Selbst im 5F gibt es Bäume. Der Architekt hat ganze Arbeit geleistet. Der Begriff „Erdgeschoß“ ist ausgehebelt. Der Abend endet im 54F des Mori Tower mit Blick über Tokyo.


Wichtiger Tip für ganz Japan: Tempel, Schreine, Museen und Gärten schließen gegen 17 Uhr, manche etwas früher, andere etwas später. Egal wie ihr Tagestouren plant, bis dann müßt ihr durch sein.